Sternschnupperkurs
Donna.
»Grundgütiger, nein, so schmeichelhaft war es nicht.« Suzy baumelte mit den Beinen, klopfte mit den Pfennigabsätzen gegen den Schreibtisch und strich sich die Haare in den Nacken. »Wenn überhaupt, trank er noch mehr. Das war es dann. Unsere Ehe war vorüber, und ich war wieder Single. Ich hatte ein paar Verabredungen, hoffte wohl, es würde ihn eifersüchtig machen und ihn dazu bringen, sich zusammenzureißen, aber den Punkt hatte er schon lange hinter sich. Es war ihm total egal.« Suzy schwieg und sah auf die Uhr; ihr Klient verspätete sich. »Sechs Monate später ging ich mit diesem Typ namens Marcus, und eines Nachts trafen wir zufällig in der Bar des Avon Gorge auf Jaz. Er sagte, es freue ihn, dass ich so glücklich sei, und ob ich nicht der Meinung sei, dass wir uns langsam scheiden lassen sollten. Und Marcus sagte, er halte das für eine großartige Idee, darum setzte Jaz seine Anwälte darauf an. Er erzählte mir, er müsse zwei Monate in die Staaten, um an einem neuen Album zu arbeiten, und wenn er zurückkäme, wäre alles erledigt. Wir stritten uns nicht um Geld«, erklärte Suzy, »es verlief alles sehr freundschaftlich. Also verschwand Jaz, und die Scheidung wurde vollzogen, und zehn Wochen später kam er zurück … und da stellten wir fest, dass er überhaupt nicht an einem neuen Album gearbeitet hatte. Er hatte sich selbst in eine Entgiftungsklinik eingewiesen, ohne es jemand zu sagen – irgendeine Klinik mitten in der Wüste von Nevada. Und er hat es geschafft«, sagte Suzy. »Er hat es tatsächlich geschafft. Seitdem hat er keinen Tropfen mehr angerührt.«
»Einfach so«, staunte Donna, die mit Kajal umrahmten Augen weit aufgerissen. »Total locker.«
»Gar nicht locker. Aber er hatte die Entscheidung selbst getroffen, ohne dazu gedrängt oder erpresst zu werden. Und sieh ihn dir heute an. Wenn es jemand gibt, von dem ich gesagt hätte, der schafft das in einer Million Jahre nicht, dann Jaz. Aber er hat es geschafft.«
»Und was wurde aus Marcus?«
»Ach der.« Suzy klang abfällig. »Der war nur wegen der Knete hinter mir her. Ich schoss ihn ein paar Monate nach Jaz’ Rückkehr in den Wind.«
»Warst du nie in Versuchung? Du weißt schon, es noch einmal mit Jaz zu versuchen?«
»Es ergab sich nie die Gelegenheit.« Suzy seufzte. »Es dauerte nicht lange, da entwickelte er diesen bösartigen Tumor an seinem Arm.«
Donnas Augen wären beinahe herausgesprungen. »Ein bösartiger Tumor an seinem Arm? Ich wusste nicht, dass er einen bösartigen Tumor am Arm hat!«
Suzy schnitt eine Grimasse. »Ich rede von Celeste.«
Das Seltsame an einer Traueranzeige in der Zeitung war, dass man keine Ahnung hatte, wer zur Beerdigung kommen würde. Es war, als plakatiere man für einen Rave, fand Suzy. Man konnte nichts anderes tun als abzuwarten … würden 10 000 Teenager abfeiern oder würden nur fünf schäbige Kiffer aus einem alten VW -Bus stolpern und murmeln ›He, Alter, wo geht’s hier ab?‹.
Doch es tauchten ziemlich viele Leute auf. Die Kapelle war voll, und es waren keine schäbigen Kiffer darunter, was man als Bonus werten musste.
Nicht, dass dieser Umstand Julia aufgeheitert hätte, Suzys unglaublich biedere ältere Schwester, die zuverlässig immer etwas entdeckte, worüber sie sich aufregen konnte. Obwohl die Sache, die sie in diesem Moment aufregte, genau genommen nichts Neues war, dachte Suzy, sie war fast dreißig Jahre alt.
Hinter ihnen sang der Rest der Trauergemeinde ›All Things Bright and Beautiful‹ – laut Julia war das eines der Lieblingskirchenlieder ihrer Mutter gewesen. Julia, das wusste Suzy, warf ihr, die sie braungebrannt und üppig in ihrem hautengen, roten Samtkleid neben ihr in der ersten Reihe saß, bitterböse Seitenblicke zu.
»Um Himmels willen«, zischelte Julia zischen zwei Versen vehement. »Nimm es ab!«
»Ich kann nicht«, flüsterte Suzy zurück. Was würde sie wütender machen? »Darunter ist ein riesiger Marmeladenfleck.«
»Dann verdecke es mit irgendetwas. Mit deiner Jacke zum Beispiel. So werden alle denken, du hättest komplett den Verstand verloren.«
»Es ist die Beerdigung meiner Mutter, und ich kann tragen, was ich will.« Suzy tätschelte ihre Donny-Osmond-Brosche und sah über ihre Schulter zu Maeve und Jaz, die einige Reihen weiter hinten saßen.
»Hör auf, zu gaffen.« Julia stieß sie fest in die Rippen. »Du bist kein japanischer Tourist.«
»Ich habe keine Ahnung, wer einige dieser Leute sind«, wunderte sich
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