Sternschnupperkurs
schwarzen Vater!«
»Hat unser Vater es gewusst?«, wollte Rory wissen.
Lucille schüttelte den Kopf.
»Aber du dachtest, dass wir es wissen.« Suzy bemühte sich, es zu begreifen.
»Ich war neugierig. Nachdem euer Vater starb, fragte ich, ob ich euch treffen dürfte. Mum meinte, sie hätte euch alles über mich erzählt.« Lucille sah kurz zu Julia. »Aber ihr hättet entschieden, dass es einfacher wäre, wenn wir uns nicht treffen.«
Empört erklärte Suzy: »Das war gelogen. Wir hatten keine Ahnung!«
»Es tut mir leid, es tut mir wirklich leid. Ich verkrafte das alles nicht.« Julia rang gequält die Hände. »Wir sprechen hier über ein richtiggehendes Doppelleben. Unsere Mutter hat Gott weiß wie viele Jahre mit einem anderen Mann zugebracht, mit einem …«
»Schwarzen Mann«, sagte Lucille ruhig. »Dad ist aus Mauritius eingewandert, vor dreißig Jahren.«
»Aber zur Beerdigung zu kommen, war ihm zu mühsam, oder?«, fauchte Julia.
»Nur weil er tot ist«, entgegnete Lucille aufbrausend. »Ich bin sicher, dass er sich sonst gern die
Mühe
gemacht hätte.«
»Ich muss für meine Schwester um Entschuldigung bitten«, warf Suzy rasch ein. »Sie ist ein wenig wie Hyacinth Bucket aus
Mehr Schein als Sein
. Es ist ihr enorm wichtig, was die Nachbarn denken.«
»Willst du damit etwa sagen, ich sei ein Snob? Ich bin
kein
Snob!« Mittlerweile zitterte Julia vor Empörung.
»O doch, das bist du.« Suzy lächelte Lucille an. »Das ist sie. Sie ist ein entsetzlicher Snob. Einmal hat Julia versucht, eine Fernsehcrew zu bestechen, weil die aufgenommen hatten, wie sie im Schlussverkauf aus C & A kam. Sie wäre vor Scham beinahe gestorben, als man sie in den Lokalnachrichten sehen konnte.«
»Ich hatte nur eine Abkürzung durch das Gebäude genommen«, stieß Julia zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Du nimmst doch wohl nicht wirklich an, ich würde irgendetwas bei C & A kaufen!«
Suzy strahlte. »Siehst du, was ich meine?«
»Das ist doch lächerlich. Wir sind nicht hier, um über mich zu reden.« Julia kochte sichtlich; sie hasste es, wenn man sich über sie lustig machte. »Seien wir ehrlich, Lucille ist nur aus einem einzigen Grund hier. Sie will das Geld in die Finger bekommen, mehr nicht. Danach werden wir garantiert nie mehr etwas von ihr hören.«
Offenbar war das zumindest das, was Julia sich erhoffte. Peinlich berührt von der atemberaubenden Gefühllosigkeit seiner Schwester, meinte Rory unbeholfen: »Immer mit der Ruhe. Das liegt allein bei Lucille.«
»Wenn euch das so lieber ist«, erklärte Lucille steif, »dann soll es mir recht sein. Ich habe es mir wirklich nicht zum Lebensziel gesetzt, euch peinlich zu berühren und Schande über eure Familie zu bringen.« Ihre Stimme brach bei den letzten Worten, und in ihren Augen quollen Tränen auf. Instinktiv griff Suzy nach Lucilles Arm, als diese sich erheben wollte.
»Bitte, du darfst jetzt nicht gehen. Julia hatte nicht die Absicht, unhöflich zu sein.« Na ja, wahrscheinlich doch. »Es war einfach ein Schock. Und ich weiß eigentlich gar nicht, warum wir so geschockt sind, denn es ist im Grunde typisch für Blanche. Theatralik, große Knalleffekte – genau das wollte sie doch immer. Solange es knallte, wenn sie nicht mehr in der Nähe war.«
»Wage es nicht, so über sie zu reden«, brach es aus Julia heraus. »Man spricht nicht schlecht über die Toten!«
»Warum nicht? Es ist doch wahr. Wenn sie uns jetzt beobachten könnte, würde sie jede Sekunde genießen. Und warum hat sie uns eigentlich nie erzählt, dass wir eine Schwester haben?«, verlangte Suzy erbost zu wissen.
Aber die Antwort auf diese Frage kannten sie alle. Julias entsetzte Reaktion war Beweis genug. Blanche hatte sich immer darin gesonnt, der Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu sein, allerdings nur unter der Bedingung, dass es sie in einem vorteilhaften Licht zeigte.
»Und dann ist sie gegangen«, beendete Suzy am nächsten Morgen ihre Erzählung. Sie saß mit Jaz und Maeve in Jaz’ Haus. Suzy langte quer über den Tisch und nahm eine Handvoll Trauben. »Es war ziemlich peinlich. Ich wollte sie umarmen, um damit wiedergutzumachen, dass Julia sich wie eine blöde Kuh verhalten hatte, und dabei hat sich mein Ohrring in ihren Haarperlen verfangen. Harry musste uns entwirren.« Sie schnitt eine Grimasse. »Und dann wurde es noch peinlicher, weil es wie eine katastrophale Verabredung endete. Ich bat Lucille um ihre Telefonnummer, und sie sagte: ›Hör zu, du musst
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