Sternstunde der Liebe (German Edition)
sie Michael in Kalifornien besuchte. Eine große, glückliche Familie. Beim Anblick seiner heiß geliebten Tante Rumer hatte der Kleine vor Freude gekräht. Zeb war höflich gewesen, freundlich, aber distanziert – bemüht, den Schein zu wahren. Doch letztes Jahr im September, bei der Explosion im Weltall, hatten seine Gedanken und Gefühle einzig Rumer gegolten.
Nebenan, auf dem Nachbargrundstück stand der neue Besitzer unter dem Fenster. Er sprach mit dem Landschaftsarchitekten, deutete auf Bäume und Büsche, die gefällt werden sollten. »Die Fichten dahinten müssen weg«, wies er ihn an. »Und die Bambusreihe dort drüben.«
Die Kettensäge sprang an.
Rumer ging zum Fenster und blickte hinaus. Zeb packte sie von hinten und zog sie an sich, die Arme um ihre Taille geschlungen. »Schau nicht hin«, sagte er. »Der Baum wurde vom Blitz getroffen … er ist nicht gesund. Siehst du, wie verkohlt er auf einer Seite ist? Außerdem gehört er ihm. Er hat das Recht, nach Lust und Laune damit zu verfahren.«
»Aber ich liebe den Baum. Wir beide sind früher immer hinaufgeklettert.«
»Mom hat uns eingeschärft, achtsam zu sein, wegen des Rotkehlchennests …«
»Soll ich ihn darauf aufmerksam machen? Glaubst du, das könnte ihn aufhalten?«
»Nein. Er ist überzeugt, dass der Wert aller Nachbaranwesen steigt, wenn er Ordnung auf dem Grundstück schafft.«
»Das hat er gesagt?«
Zeb nickte. Ein Blick aus dem Fenster genügte, um den Tatendrang in den Augen des Nachbarn zu erkennen. Er hatte ein Haus gekauft, nahm es in Besitz. Es war sein Recht, sein gutes Recht. Aber Zebs Magen verkrampfte sich trotzdem, und er spürte, wie Rumer neben ihm zitterte.
»Immobilienwerte …«, flüsterte Rumer. »Der Wert eines Anwesens hat nichts mit Geld zu tun. Es ist die Landschaft, die zählt … das idyllische Kap.«
Sie standen am Fenster und blickten auf die Bucht hinaus. Der Strand leerte sich zusehends; nur ein paar gestreifte Sonnenschirme in bunten Farben blieben zurück. Der Eismann läutete seine Glocke, führte die Kinder und Jugendlichen, die sich auf den Heimweg begaben, in Versuchung. Einige wenige Fischerboote waren draußen, unweit der Wellenbrecher, und mehrere weiße Segel sprenkelten das blaue Wasser.
»Das idyllische Fleckchen Erde«, bestätigte Zeb.
Rumer schluchzte, schien überrascht, als er ihre Hand ergriff und sie zum Sofa zog. Sie nahmen Platz, und er holte tief Luft. Der Wert, den man einem Anwesen beimaß … der neue Nachbar hatte Zeb nachdenklich gestimmt; er verstand plötzlich, dass Rumer um weit mehr trauerte als um die neugeborenen Eichhörnchen oder den Baum nebenan. Sie trauerte um ihre Kindheit, die gemeinsamen Erinnerungen, die althergebrachten Wertvorstellungen, Traditionen.
»Was ist?«, fragte sie.
»Neulich wolltest du wissen, warum ich keine Flüge mehr mache.«
»Und das soll ich dir abnehmen? Du liebst den Weltraum doch so sehr.«
»Das war einmal.«
»Sag mir warum.«
»Letztes Jahr im September ist dort oben etwas geschehen, was mich auf die Erde zurückgebracht hat.« Er streichelte ihren Handrücken.
Sie sah ihm in die Augen. »Du hast nach unten geschaut und ich nach oben … viele Nächte habe ich geträumt, meinen Körper zu verlassen und mit dir zu fliegen … in den Weltraum. Mit meinem alten Freund Zeb …«
»Der Weltraum.« Zeb blickte zum blauen Himmel empor, zu den Wolken, die den ersten Schimmer der untergehenden Sonne trugen. »Ich hatte plötzlich das Gefühl, unendlich weit weg zu sein … daran erinnere ich mich. Ich fragte mich – wie komme ich zur Erde zurück? Werde ich die Menschen, die mir nahe stehen, jemals wiedersehen? Ich sah zum Fenster der Raumfähre hinaus, hinab auf die Erde, und ich schwöre, wir flogen gerade über Hubbard’s Point …«
»Was ist passiert?«
»Wir hatten eine Explosion an Bord.«
Mit weit aufgerissenen Augen hörte sie zu. Sie konnte nicht wissen, dass er die Druckwelle erneut in seinem Körper spürte – wie jedes Mal, wenn er daran zurückdachte. Das Kap war ein friedlicher Ort; Rumer saß an seiner Seite, und Zeb hatte das Gefühl, dass die Erde unter ihm versank und er ins Bodenlose stürzte.
Seine Finger umklammerten das Polster des Sofas, auf dem er saß. Eine kaum merkliche Bewegung, die unbewusst erfolgte. Doch Rumer sah es und ergriff seine Hand. Sie verschränkte ihre Finger mit seinen – strahlte Wärme und Sicherheit aus. Zeb wusste unbesehen, dass seine Hand schweißnass war. Rumer
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