Sternstunde der Liebe (German Edition)
Wenn sie aus der Dusche kam, pflegte sie sich Zeit mit dem Abtrocknen zu lassen. Im Lauf der Jahre hatte sie Zeb damit um den Verstand gebracht.
Aber das war nichts im Vergleich zu Rumer. Rumer Larkin hatte sich in seine Gedanken, in seinem Herzen eingenistet. Sie war ein Teil von ihm, genauso wie das Salz ein Teil des Meeres war. Er kannte sie gut; kannte sie in- und auswendig – wie er dachte. Während er sich vorstellen konnte, Elizabeth zu küssen – sie im Sturm zu nehmen, genauer gesagt –, hatte er sich bei dem Gedanken, Rumer auch nur zu berühren, eingeschüchtert gefühlt. Er hatte nicht gewusst, wie er den Übergang bewerkstelligen sollte, um das Mädchen, das er als Kumpel betrachtet und in Seetang eingewickelt hatte, leidenschaftlich zu küssen.
Hier war der Briefkasten ins Spiel gekommen. Die alte Schublade im Foley’s, wo jedes sentimentale Pärchen irgendwann einmal Liebesbriefe ausgetauscht hatte. Als Kinder hatten sie auf den Holzstühlen gesessen und sich über die blumigsten lauthals schief gelacht. Später, zu Beginn des Teenageralters, hatten sie leiser gelesen und sich vorgestellt, wie sie eines Tages ihre eigenen Liebesbriefe verfassen würden.
Zebs Erstlingswerk war ein Märchen über die Beziehung zur besten Freundin gewesen, wie die Aufsätze in der Schule, für Rumer geschrieben. Er handelte von einem Jungen und einem Mädchen (Rumer und er), die am Meer lebten. Nachdem sie Jahre lang Hummer gefangen und gefischt, ihre Netze im Mondlicht ausgeworfen hatten, hatten sie sich eines Tages in einem furchtbaren Sturm aus den Augen verloren. Als er sie nicht mehr fand, gab der Junge die Hoffnung auf, hielt sie für tot. Er tauchte in seine Meereshöhle hinab, um zu sterben. Das Meer wogte, die Wellen waren höher als jemals zuvor, und plötzlich war er ringsum von Wasser umschlossen. Doch unter den Wellen erspähte er Fäden aus Sternenlicht. Sie stammten vom Netz des Mädchens, mit dem sie ihn zurückzog, in Sicherheit, in ihre Arme … dann flogen sie zum Sternenzelt empor, und dort lebten sie noch heute, ließen ihr Licht über den Dachfirst herabscheinen.
Das Märchen hatte ihr gefallen: Er erinnerte sich, wie es gewesen war, als sie ihre Arme um seinen Nacken geschlungen hatte. Sie hielten sich umfasst; er atmete den Duft ihres Nackens ein, roch ihr Zitronenshampoo. Sie legte den Kopf in den Nacken; er küsste sie, lange und langsam, ein Kuss, auf den sie beide ein ganzes Leben gewartet hatten. Damals waren sie sechzehn gewesen.
Fünf Jahre später hatte sich eine weitere große Veränderung abgezeichnet. Für beide war es das letzte Jahr im College gewesen – Zeb an der Columbia, Rumer am Trinity. Ihre Gefühle waren intensiver geworden, hatten eine neue Ebene erreicht und den Wunsch geweckt, miteinander zu schlafen. Noch heute war Zeb davon überzeugt, dass Rumer sich genauso danach gesehnt hatte wie er. Beide Spätzünder, hatten sie sowohl ihre Arbeit als auch ihre Beziehung ernst genommen und gewartet, bis das Verlangen übermächtig wurde.
Aber Rumer schien unschlüssig zu sein. Als er sie einmal im Trinity besucht hatte, hatte sie befürchtet, ihre Zimmergenossin könnte jeden Moment hereinplatzen. Ein anderes Mal, an der Columbia, als sie in seinem Zimmer waren, Kerzen angezündet und Jazzmusik aufgelegt hatten, war ein Anruf von Elizabeth gekommen, die Rumer zu sprechen verlangte, wegen eines Problems, das nur eine Schwester lösen konnte.
Und schlussendlich war sie an besagtem ersten Frühlingstag, als er am Indian Grave auf sie gewartet hatte, nicht gekommen.
Rumer war zu Hause geblieben, und Zeb hatte umsonst gewartet.
Er hatte in seinem Zelt auf die große Liebe seines Lebens gewartet und war nicht einmal einer Entschuldigung für wert befunden worden. Sie habe in der Schublade nachgeschaut, aber keine Nachricht von ihm vorgefunden, hatte sie behauptet. Warum hatte sie ihm nicht wenigstens ehrlich gestanden, dass sie noch nicht so weit war, ihn aber trotzdem liebte, Sehnsucht nach ihm hatte?
Wäre der Rest geschehen, wenn ihre Liebesbeziehung reibungsloser verlaufen wäre? Er redete sich ein, er hätte sich nicht mit Elizabeth eingelassen – obwohl die Initiative von ihr ausgegangen war. Und falls Rumer sich verraten fühlte, war das nur ein Ausgleich für seine abgrundtiefe Verzweiflung, die er empfunden hatte, als er von ihr zurückgewiesen worden war.
Die Jahre waren ins Land gegangen – mit Elizabeth verheiratet, hatte er Rumer nur dann gesehen, wenn
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