Sternstunde der Liebe (German Edition)
zurück.
Rumer kniete immer noch auf dem Fußboden. Zeb bückte sich, legte seine Arme um sie und half ihr auf die Füße. Er erinnerte sich, wie sie, vor fünfundzwanzig Jahren, beim Zeitungsaustragen eine Katze gefunden hatten, die von einem Auto angefahren worden war. Rumer war vom Rad gesprungen und hatte die tote Katze in den Arm genommen; Zeb hatte sich neben sie gekauert und sie mit seinen Armen umfangen.
»Warum musste das passieren?«, schluchzte sie. »Wenn er nur einen Ton gesagt hätte, wäre ich hinaufgeklettert und hätte das Nest entfernt.«
»Er ist vermutlich überhaupt nicht auf die Idee gekommen.« Zeb sah den geistesabwesenden Blick des Nachbarn vor sich.
»Ich bin abgehärtet durch meine Arbeit, weine nie. Selten, genauer gesagt … aber mit ansehen zu müssen, wie der Baum gefällt und das Nest zerstört wird … Die Eichhörnchen von Hubbard’s Point; vermutlich sind sie direkte Nachfahren der Generation, von der mir deine Mutter erzählt hat. Und die hier waren so klein … hatten nicht die geringste Chance.«
»Ich weiß.«
Er hielt sie in den Armen, während sie ihren Tränen freien Lauf ließ. »Findest du, dass ich mich idiotisch benehme? Weil ich mir solche Dinge so zu Herzen nehme?«
»Nein, finde ich nicht. Du bist, wie du bist, Rumer.«
»Und wie bin ich?«, flüsterte sie.
Zeb streckte die Hände aus. Er ging mit ihr durch das Haus, ins Wohnzimmer. Eine leichte Sommerbrise wehte durch die geöffneten Fenster, nach Salz und Blumen duftend. Er war tausendmal in diesem Raum gewesen, zuerst als Rumers Freund, dann als junger Bursche, der sich in sie verliebt hatte, und noch später als Zees Ehemann und Michaels Vater. Überall waren Familienfotos, doch als er in Rumers blaue Augen sah, versank die Welt ringsum.
»Rumer.« Er umfing ihr Gesicht mit beiden Händen.
»Sag mir, wie ich in deinen Augen bin«, verlangte sie abermals.
»Für mich bist du der Inbegriff der Liebe. Einer Liebe, die alle und alles umfasst.«
»Was? Schau mich doch an! Ich bin allein … ich kann nicht ständig jemanden um mich haben.«
»Ich auch nicht.«
Es hatte nur einen Menschen gegeben, mit dem er Tag und Nacht beisammen sein wollte – sie. Wie lange wusste er schon, dass sie seine einzige große Liebe war? Seit Ewigkeiten, wie ihm schien. Zumindest seit er ein kleiner Junge war … und während der Teenagerzeit. Doch dann hatte sich das Verlangen nach ihrer Schwester seiner bemächtigt, das ihn nicht losließ, und er hatte alles zerstört.
»Zeb, was ist?«
»Nichts.« Er ergriff ihre Hand. Sie wehrte sich nicht; beide zitterten.
»Sag es mir, Zeb.«
Zeb konnte das Zittern nicht unterdrücken. Er stand auf und ging zum Barometer, das an der Nordseite des Raumes hing. Er klopfte gegen das Glas und sah, dass die Quecksilbersäule leicht fiel. Er fragte sich, wo sich Sixtus gerade befinden mochte, und hoffte, dass er nicht in ein Unwetter geriet. Rumer war ihm gefolgt; er spürte die Wärme ihres Körpers, als sie neben ihm stand.
»Bitte, Zeb. Sag mir, was los ist.«
Zeb hätte sie am liebsten an sich gezogen, sie für den Rest der Nacht in den Armen gehalten. Wusste sie nicht, wie lange er seine Gefühle schon unter Verschluss gehalten hatte? Sie hatten das Ganze schon einmal durchgemacht, wussten, wie hart es war, wenn aus Freundschaft mehr wurde. Beide waren schüchtern gewesen, hatten den Übergang schwierig gefunden. Dennoch waren sie auf dem richtigen Weg gewesen.
Sie hatten es langsam angehen lassen, auf die altmodische Weise, wie es in Hubbard’s Point üblich war, hatten Nachrichten für den anderen in der Schreibtischschublade im Foley’s deponiert. Vor dem ersten Kuss hatte er Angst gehabt, sie würde aus allen Wolken fallen und ihn auslachen. Rumer war für ihn nichts weiter als eine kleine Schwester gewesen. Danach seine beste Freundin. Sexuelle Fantasien über Schwestern oder Mädchen, mit denen man nur platonisch befreundet war, waren ein Ding der Unmöglichkeit, waren das Letzte.
Elizabeth stand auf einem anderen Blatt. Sie war um einiges älter und schon von daher unerreichbar – aber gleichzeitig das Mädchen von nebenan, genau wie Rumer. Sie war die Larkin-Schwester, die es faustdick hinter den Ohren hatte – jahrelang hatte sie sich vor dem Fenster ausgezogen, wohl wissend, dass Zeb sie dabei beobachtete. Wenn sie sich im Badezimmer die Beine rasierte, hatte sie dafür mit Bedacht eine Stelle gewählt, die er von seinem Fenster aus voll im Blick hatte.
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