Sternstunde der Liebe (German Edition)
der Straße: Es kam nur auf das Innere eines Menschen an, auf sein Herz. Zeb lernte, und Rumer war seine Lehrmeisterin.
Winnies Flagge flatterte im Wind, das Azurblau verschmolz mit dem Blau des Himmels, das weiße Panier bewegte sich hin und her, stach Zeb ins Auge: Qui transtulit sustinet …
Die Frage war nur, wer sollte wohin übersiedeln? Rumer nach Kalifornien oder er wieder nach Hubbard’s Point? Einer von beiden würde seine Wurzeln herausreißen und umziehen müssen, weil sie keinen weiteren Winter voneinander getrennt durchstehen würden. Während er dort saß und die Flagge von Connecticut in der Meeresbrise wehen sah, hatte er einen Kloß im Hals. Obwohl es ihm hier besser gefiel als sonstwo auf der Welt, hatte er sein Leben den Sternen verschrieben, und die NASA hatte ihm ein Forschungslabor eingerichtet.
In Kalifornien.
Keiner der Mietställe, die Rumer besichtigte, war für Blues Unterbringung geeignet.
Entweder waren sie zu weit entfernt – vierzig Minuten Fahrt auf abgelegenen Landstraßen, mit der kleinen Fähre über den Connecticut River, am anderen Ende von Hawthorne – oder heruntergekommene, einsturzgefährdete Stallungen, die jeder Brandschutzverordnung spotteten, mit übel riechendem uraltem Stroh. Während sie durch die kleinen Ortschaften fuhr, dachte sie darüber nach, wie sehr sie diesen Teil der Welt liebte; wie schön sie den Süden Neuenglands fand.
Die mächtigen Ahornbäume, die weißen Kirchen, die roten Scheunen, der Fluss, den man hin und wieder erspähte, die Segelboote, die an ihren Muringsbojen vertäut auf und ab schaukelten. Sie kannte die Namen sämtlicher Wildblumen, die am Wegrand wuchsen, kannte die besten Verkaufsstände, wo die Farmer Tomaten und Pfirsiche aus eigenem Anbau anboten. Sie sah die Namensschilder ehemaliger Schüler auf den Briefkästen: Viele waren inzwischen erwachsen und hatten sich hier in der Gegend niedergelassen.
Das war ihre Heimat. Ihr Vater würde nach beendeter Reise hierher zurückkehren und damit rechnen, dass sie ihn zu Hause erwartete. Er war alt. Sie hatten nie darüber gesprochen, aber es war für sie immer selbstverständlich gewesen, dass sie im Alter für ihn da sein würde, jedes Jahr, das ihm noch verblieb, mit ihm verbringen würde. Es konnte keine Rede von einer Unterbringung im Alters- oder Pflegeheim sein, und auch betreutes Wohnen kam für Sixtus Larkin nicht in Frage. Er würde dort bleiben, wo er hingehörte, in Hubbard’s Point.
Und Blue gefiel es hier ebenfalls. Ihr Pferd fühlte sich in Connecticut zu Hause. Es liebte die felsigen Wiesen, die salzige Luft, die Steinmauern, die Eulen, die jede Nacht im Tiefflug über die Weiden jagten.
Doch während der Fahrt hatte sie zunehmend das Gefühl, dass sie sich etwas einzureden versuchte. Wie sehr sie sich auch weismachen wollte, dass sie dieses Fleckchen Erde niemals verlassen könnte, ihr Herz befand sich in einem abgrundtiefen Zwiespalt. Hubbard’s Point würde immer ihr Zuhause bleiben, aber wie sollte sie hier weiterleben mit dem Wissen, dass sie die Chance vertan hatte, den Rest ihres Lebens mit Zeb zu verbringen?
Als Rumer ihren Truck am Fuß des Hügels abstellte, sah sie Zeb im oberen Teil des Gartens stehen, und ihr Herz schlug schneller. Sie lief die Steintreppen hinauf und stürzte sich in seine Arme. Er hielt sie umschlungen, küsste sie aufs Haar, und zum ersten Mal an diesem Tag fühlte sie sich ruhig und in Einklang mit sich selbst. Was immer auch geschehen mochte, sie war glücklich, wenn sie bei Zeb sein konnte.
»Hast du etwas gefunden?«, fragte er.
»Nicht das Richtige für Blue. Die Ställe waren alle zu weit vom Meer entfernt.« Sie lächelte, denn diese Begründung war ebenso stichhaltig wie jede andere.
»Glaubst du, dass es ihm etwas ausmachen würde?«
Rumer nickte. »Er ist sehr wählerisch, was seine Meeresbrisen angeht.«
»Ahhhh.« Zeb küsste ihren Hals, ließ seine Hände über ihre Wirbelsäule gleiten und bewirkte damit, dass sie den Rücken wölbte. »Wir haben einen Ozean in Kalifornien. Glaubst du, ihm würden die Winde vom Pazifik gefallen?«
»Ich weiß nicht«, flüsterte sie.
»Dein Vater würde Ja sagen.«
»Wie kommst du auf die Idee?«, fragte sie, aber Zeb lächelte nur.
»Hast du immer noch nichts von Sixtus gehört?«
Rumer schüttelte den Kopf. Sie hatte vor achtundvierzig Stunden seinen Anruf erwartet, wo er ihr Bescheid gab, dass er Nova Scotia jetzt verlassen und nach Irland segeln werde. Sie hatte
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