Sternstunde der Liebe (German Edition)
mit mir klar … es liegt daran, dass ich so anders bin. Deine Mutter will dich nur schützen …«
Michael wiegte sie sanft hin und her, hörte schweigend zu, wie ihre Stimme mit dem Klang der Wellen verschmolz.
»Als du hierher kamst, war ich überzeugt, du würdest mich völlig übersehen«, sagte sie und schluckte. »Hier gibt es hübsche Mädchen in rauen Mengen – sie tragen Shorts und Bikini oder so, und nicht Kimonos oder die alten kurzen Hosen ihres Vaters. Sie benutzen Nagellack für ihre Fingernägel und nicht, um Zahlen auf Hummerbojen zu pinseln. Sie tragen echten Schmuck statt Fischschuppen und Schnurarmbänder. Wie Amanda, möchte ich wetten …«
»Amanda ist mit Sicherheit nicht besonders versessen auf Fischschuppen.«
»Wer ist das schon? Außer mir.«
Michael lächelte auf ihren Scheitel herab.
»Ich weiß, dass ich anders bin. Ich kann nichts dagegen machen. Ich glaube, ich habe es dir schon einmal gesagt …«
»Du sagtest, du wärst so etwas wie ein Wechselbalg.«
»Ja. Ich nehme Dinge wahr, die andere nicht sehen, unheimliche Dinge, und nach dem Tod meiner Eltern wurde es noch schlimmer. Wenn ich mir Allie anschaue – so lieb und normal –, der Sachen wie Lipgloss und Socken in der richtigen Farbe wichtig sind, dreht sich alles in meinem Kopf.«
»Vielleicht ist sie nur so geworden, weil du so bist wie du bist«, sagte Michael.
Quinn öffnete ein Auge und blickte ihn an, den Kopf immer noch in seinen Schoß gebettet.
»Weil du genug für euch beide wahrnimmst«, flüsterte er.
»Ich nehme eine Menge wahr.« Quinns Stimme war kaum mehr als ein Hauch, der zum Himmel aufstieg. »Als es zum ersten Mal geschah, saß ich hier – an derselben Stelle – und wartete auf die Meerjungfrau. Ich dachte, es sei meine Mutter … und ich bin immer noch überzeugt davon. Ich brachte ihr jedes Mal weiße Blumen mit und spürte, dass sie sang, für mein gebrochenes Herz.«
»Dein Herz war gebrochen?« Die Worte durchdrangen Michaels Körper wie Messerstiche.
»Ja. Ist es auch heute noch.«
Sie saßen reglos da, hielten sich noch umschlungen, als die Flut einsetzte; jede Welle kam ein wenig näher, leckte die Sohlen ihrer bloßen Füße.
»Gebrochene Herzen wachsen nie wieder zusammen«, flüsterte Quinn. »Solche Wunden heilen nicht – glaub mir, so ist es, auch wenn man dir etwas anderes einreden will. Aber wenn man Glück hat, findet man die richtigen Dinge im Leben, die einem den Schmerz erträglicher machen.«
»Zum Beispiel?«
»Zum Beispiel Hubbard’s Point … die Menschen hier, die Lilien, die Felsen und die Rosen, die Kaninchen, die Hummer, Rumer, Winnie … du.«
»Ich«, flüsterte Michael mit brennender Kehle.
»Als du in diesem Sommer hier auftauchtest und mich wirklich mochtest, war das unfassbar für mich. Ich dachte, das muss ein Irrtum sein. Ich hatte Angst, ich würde aus heiterem Himmel eine Botschaft vom lieben Gott höchstpersönlich erhalten: »Tut mir Leid, mein Fehler.«
»Auf die Botschaft kannst du lange warten.«
»Ich kann es einfach nicht begreifen.« Sie zitterte in seinen Armen. Dann hob sie die Hand und strich ihm behutsam mit den Fingerspitzen über die Wangen. »Wieso magst du ausgerechnet mich, wo du doch Mädchen wie Amanda haben könntest?«
Er lachte. »Du kennst Amanda nicht …«
»Oh doch«, erwiderte Quinn störrisch. »Ich wette, sie ist genau wie die anderen Mädchen in der Schule, absolut perfekt. Egal ob Ashton oder Megan oder Isabella. Sie sehen wie Models aus, essen nie, haben immer die besten Noten, machen jeden Samstag mit ihren Müttern einen Einkaufsbummel …«
»Möglich, dass ich mich täusche, aber das klingt, als würdest du verallgemeinern. Sie sind vielleicht nicht halb so glücklich wie du.«
»Wie kommst du darauf?«
»Weil du genau weißt, wer du bist. Das habe ich dir am Gesicht angesehen, schon bei unserer ersten Begegnung.«
»Und wozu soll das gut sein?«
»Das ist das Wichtigste überhaupt im Leben.«
»Das gilt aber auch für dich.« Quinn zeichnete die Konturen seines Gesichts mit der Hand nach.
»Ich bin auf dem besten Weg. Früher war das nicht so. Aber ich habe zumindest versucht, es herauszufinden …«
»Und wie?«
»Ich wollte beispielsweise immer eine Narbe.« Michaels Gedanken drifteten in die Vergangenheit ab. »Mein Dad hat gleich mehrere – weil er öfter vom Baum und einmal sogar vom Dach gefallen ist, außerdem vom Training im Simulator, solche Dinge eben. Ich dachte, wenn
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