Sternstunde der Liebe (German Edition)
Herzen auszuschließen, sondern um Quinn hereinzulassen.
»Quinn«, flüsterte er an ihrem ungebändigten, kastanienbraunen Haar. »Nicht weinen. Keine Angst. Ich liebe dich …«
Aber Quinn riss sich los, kletterte die Kaimauer empor und lief davon. Michael rannte ihr nach, dem Mädchen hinterher, das er liebte, und ließ seine Mutter sprachlos zurück.
Als Elizabeth zu Michael gegangen war, traf sich Rumer mit Zeb hinter der Ligusterhecke. Es kam ihr vor, als müssten sie ihre Liebe geheim halten, wären gezwungen, sich ein paar gemeinsame Minuten zu stehlen. Sie küssten sich voller Verlangen, während die Welt ringsum versank, hielten sich eng umschlungen, konnten nicht voneinander lassen. Niemand konnte sie von der Straße oder vom Strand aus sehen.
»Warum ist sie hergekommen?«, fragte Zeb, als sie einen Moment innehielten.
»Wegen Michaels Geburtstag.«
»Das ist doch nur ein Vorwand. Sie muss noch einen anderen Grund haben.«
»Woher willst du das wissen?«
»Du weißt es auch, Rumer. Sie hat etwas läuten hören – vielleicht hat dein Vater etwas über uns verlauten lassen, oder eine Freundin. Oder Michael.«
»Wie denn?« Sie streichelte seine Wangen. Sein Gesicht war schmal und kantig, glatt rasiert, fühlte sich an, wie für ihre Hand gemacht. »Wo wir beide nicht einmal davon wussten.«
»Aber alle anderen auf dem Kap. Dein Vater, Winnie und …«
»Mattie«, pflichtete Rumer ihm bei.
»Ich mache mir Sorgen über die möglichen Folgen von Elizabeths Besuch.« Zebs Blick wurde hart.
»Ich würde gerne darauf antworten, das sei mir egal. Aber dem ist nicht so. Alles erscheint mir so verworren. Sie ist meine Schwester, und ich möchte sie lieben und eine innige Beziehung zu ihr haben, wie Marnie und ihre Schwestern, wie Dana und Lily, als sie noch lebte, oder Quinn und Allie. Ich dachte immer, wir würden dem Bild der Schwestern entsprechen, das unserer Mutter vorschwebte. Das habe ich mir mein Leben lang gewünscht. Und so waren wir auch, als Kinder … aber das ist aus und vorbei.«
»Lass nicht zu, dass Elizabeth zerstört, was uns verbindet. Es gehört uns, Rumer. Uns allein – lass nicht zu, dass sie zwischen uns steht.«
Rumer lehnte sich zurück, um Zeb in die Augen zu blicken. Sie waren blau und klar, Augen, die sie ein Leben lang gekannt hatte.
»Gewiss nicht!«, sagte sie mit Nachdruck.
29
W ährend er den schmalen Pfad am anderen Ende des Strandes entlangpreschte, konnte Michael Quinn weiter vorne hören. Er rannte die gewundene Anhöhe hinauf, in den Wald, wo früher Fish Hill, die alte Jagdhütte, gestanden hatte. Hier wurde der Pfad eng und dunkel, überwuchert von den Büschen und Rankengewächsen, die am Wegrand standen. Er lief an der Abzweigung vorbei, die zum Indian Grave führte, immer geradeaus bis zu der Stelle, an der das Gehölz endete und Little Beach begann.
Michael wusste, wohin sie wollte: Sie hatte ihm vor ein paar Wochen gezeigt, wo sie ihr Tagebuch vergraben hatte, vor langer Zeit, in dem Sommer, nachdem ihre Eltern ums Leben gekommen waren. Er ging langsamer, blickte sich aufmerksam um.
»Quinn?«, rief er, als er den großen Felsen umrundete. Die Farbe war fast verblasst, aber man erkannte noch das furchterregende Gebiss eines Hais auf der Oberfläche des Gesteins.
Er konnte sie weinen hören und folgte dem Laut. Sie lag zusammengerollt auf der Seite, auf dem trockenen Sand unmittelbar über der Flutlinie – Muschelschalen, Seetang und Treibholz markierten den Eingang zum Meer. Michael kniete sich neben sie, blickte ihr in die Augen.
»Quinn?«
Sie schlug die Hände vors Gesicht, unfähig zu sprechen. Michael nahm sie auf den Schoß wie ein kleines Kind. Sie schluchzte für zwei. Michael hätte selbst gerne geweint; die Begegnung mit seiner Mutter hatte ihn seltsam berührt. Anfangs war er wütend gewesen – wegen der Geschichte mit Amanda –, doch nun empfand er nur noch Traurigkeit, Mitleid mit ihr und Einsamkeit. Während er versuchte, sich einen Reim darauf zu machen, wiegte er sich mit Quinn in den Armen hin und her.
»Tut mir Leid, wie ich mich vor deiner Mutter aufgeführt habe«, flüsterte sie nach geraumer Zeit, als sie ihre Stimme wieder einigermaßen unter Kontrolle hatte.
»Du musst dich doch nicht entschuldigen. Sie war diejenige, die sich daneben benommen hat.«
»Deine Mutter hasst mich.«
»Tut sie nicht, und selbst wenn, spielt das keine Rolle.«
»Ich mag es nicht, wenn mich jemand hasst. Viele Leute kommen nicht
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