Sternstunde der Liebe (German Edition)
Sie flüsterten, zupften am Ärmel ihrer Begleitung, bemühten sich, verstohlen auf sie zu deuten. Sie war bekannt, aber der Ruhm machte ihr das Herz schwer. Sie hatte ihren Wunsch verwirklicht, entstanden vor vielen Jahren im Schatten ihrer Schwester, die mit ihren Schulzeugnissen eine Auszeichnung nach der anderen eingeheimst hatte: Elizabeth war ein Star, ein leuchtender Stern in der Film- und Theaterwelt.
»Was willst du mir denn zeigen?«, fragte Rumer.
»Oh, ich denke, du weißt es«, erwiderte Zee leise.
Ihre Schwester immer noch an der Hand haltend, führte sie Rumer zu dem Tisch mit der Schublade in der Mitte. Sie zog ihrer Schwester den Stuhl hervor und nahm neben ihr Platz. Ihr Atem ging schwer, wie nach einem Marathonlauf. Der Deckenventilator drehte sich über ihren Köpfen, und Nebelschwaden drangen durch das geöffnete Fenster.
Und wenn er nicht mehr da war? Inzwischen waren zwanzig Jahre vergangen. Was war, wenn eine Angestellte ihn schon vor langer Zeit weggeworfen hatte? Oder der Besitzer den Boden gefliest oder mit Linoleum ausgelegt hatte? Doch instinktiv wusste sie, dass nichts dergleichen geschehen war. In Hubbard’s Point war die Zeit so lange stehen geblieben, dass sich alles noch am gleichen Platz befand.
Rumer öffnete die Schublade und wühlte geistesabwesend in den Zetteln, die sich darin befanden, als rechne sie damit, auf magische Weise Zebs Nachricht zu finden. Aber das wäre einem Wunder gleichgekommen: Schicht um Schicht, Jahr um Jahr waren hier Mitteilungen hinzugefügt, entfernt, durchforstet, an einen neuen Platz gelegt worden. Viele der älteren Liebesbriefe hatten ihren Weg in Sammel- oder Fotoalben gefunden; die neueren stammten von Teenagern im Alter von Michael und Quinn.
»Dort ist es nicht«, sagte Zee.
»Was ist nicht dort?«, fragte Rumer, die immer noch nichts verstand.
»Du wusstest nichts von seiner Existenz, oder?«
Rumer sah sie ratlos an. Elizabeths Herz hämmerte; das Blut brannte wie Feuer in ihren Adern. Sie war noch nie so nervös gewesen, bei keiner einzigen Premiere in ihrem ganzen Leben.
»Ich spreche von dem Geheimversteck …«, flüsterte Elizabeth. Sie griff unter den verschrammten Eichentisch und schob Stück für Stück ihre Finger unter das Dielenbrett. Damals war es lose gewesen, vor zwei Jahrzehnten, und das war es immer noch. Mr. Foley hatte bis heute versäumt, es anzunageln. Mit zitternder Hand tastete sich Elizabeth vor, bis sie auf das zerknüllte Blatt Papier stieß.
Ohne es zu lesen, schob sie es Rumer über den Tisch zu. Rumers Augen füllten sich beim Anblick des Briefs mit Tränen.
»Ich habe ihn zufällig gefunden«, gestand Elizabeth mit leiser Stimme. »Ich kam oft alleine her, um Tee zu trinken und über das Stück nachzudenken … als ich die Schublade aufmachte, erkannte ich die Handschrift. Und las den Brief.«
»Zebs letzter Brief an mich«, flüsterte Rumer. »Er sagte, er habe mir geschrieben …«
»Es tut mir Leid, so Leid.«
Sie sah hilflos zu, wie ihre Schwester weinte, während sie die Worte las, die er vor vielen Sommern geschrieben hatte; die Worte hatten Elizabeth stets verfolgt und sie kannte sie auswendig:
Rue,
ich muss dich heute Abend unbedingt treffen, um acht, ja?
Du weißt wo – am Indian Grave. Ich bringe mein Zelt mit
und werde es in der kleinen Mulde aufstellen.
Dort sind wir ungestört – nur wir zwei.
Ich kann es kaum erwarten, dich zu sehen.
Zeb
»Du hast die Nachricht gefunden und versteckt«, sagte Rumer.
»Ja«, murmelte Elizabeth. Doch als sie ihre Schwester anschaute, sah sie mit Erstaunen, dass ihre Augen strahlten. Sie waren schmerzerfüllt, doch Elizabeth entdeckte in ihnen einen Funken der Liebe, die sie miteinander verbunden hatte. So war es früher gewesen – sie hatten den Zauber des Strandlebens, die Geheimnisse und die unverbrüchliche Zuneigung von zwei Mädchen geteilt, die viele Freunde, aber nur eine Schwester hatten.
»Es tut mir Leid, Rumer«, sagte sie.
Rumer nickte. Ihr Blick fiel wieder auf den Brief, und sie las die Worte abermals.
»Ich versuche mir immer einzureden, dass es keinen Unterschied gemacht hätte. Wenn ihr beide wirklich füreinander bestimmt gewesen wärt, hättet ihr einen Weg gefunden. Dass eine dauerhafte Beziehung daraus geworden wäre, hatte ich damals nicht geglaubt.«
»Alles ist wichtig. Unter dem Strich.«
»Was meinst du damit?«
»Das Leben, Elizabeth. Ich habe mir schon immer meine Gedanken darüber gemacht – nicht
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