Sternstunde der Liebe (German Edition)
dass Zeb und ich mit einer Lüge begannen …«
»Welcher Lüge?«
Elizabeth schloss die Augen und stieß einen schmerzvollen Seufzer aus, der Rumer bis ins Mark durchdrang. Der Abdruck von ihrer Hand war immer noch auf Elizabeths Wange sichtbar, brennend und rot.
»Komm«, sagte Elizabeth schließlich, stand auf und nahm ihre Schwester an der Hand. »Ich möchte dir etwas zeigen.«
Die Schwestern gingen in die Garage und holten ihre Räder heraus. Elizabeth war schon seit Jahren nicht mehr Rad gefahren – weder mit diesem noch mit einem anderen. Sie fuhren los, die Cresthill Road hinunter, ließen die Sackgasse hinter sich. Die Nachtluft war erfüllt von Düften: Jasmin, Geißblatt, Rosen, Kiefern und Salz. Elizabeth, die ein großes Haus am Strand von Malibu besaß, wusste, dass sie den Atlantischen Ozean im Blut und heute Abend auf eine Weise zu sich selbst gefunden hatte, auf eine Weise, wie schon seit Jahren nicht mehr.
Auf dem Gipfel des kurvenreichen Hügels hinter den Tennisplätzen beugte Rumer den Kopf tief über den Lenker, um bei der Abfahrt höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Zee wusste im Voraus, wann es passieren würde – ihre Schwester und sie waren die Strecke an die tausend Mal gefahren. Am Stoppschild wurden sie langsamer, fuhren um Rainbow’s End herum – das Cottage mit den schönsten Gartenanlagen – und überquerten den unbefestigten Parkplatz.
Kieselsteine knirschten unter den Reifen. Zee trat härter in die Pedale, fuhr ihrer Schwester voraus. Obwohl dies die längere Route zum Ziel war, wollte sie die Marsch riechen – den satten, schweren Verwesungsgeruch bei Ebbe – und das Meer, frisch, beschwingt, salzig, und voller Leben.
Rumer folgte ihr, ihr Vorderrad auf gleicher Höhe mit Elizabeths Hinterrad. Während Zebs Sternbilder am Firmament erstrahlten, kurvten die Schwestern hintereinander her, fuhren kreuz und quer und im Zickzack, wie bei einem artistischen Radsportwettbewerb, an den sie sich erinnerten. Elizabeth hatte einen Kloß im Hals, als sie daran dachte, wie leicht es gewesen war, Rumer dazu zu bringen, ihr zu folgen, alles zu tun, was sie sagte.
Man hat nur eine Schwester.
Wie wahr, dachte Zee, und wie schwer sie diese Beziehung beeinträchtigt hatte. Wie oft hatte sie sich in all den Jahren gewünscht, sie könnte Rumer anrufen? Um sie an der Euphorie teilhaben zu lassen, die guten Kritiken folgte, oder in der Zeit, als sie sich wegen der Mammografie Sorgen machte, oder wegen der vielen kleinen Dinge, die Michael gesagt und getan hatte.
Elizabeths Kehle war wie zugeschnürt; sie wusste, dass sie Michael absichtlich von ihrer Schwester fern gehalten hatte. Er hätte die Sommerferien hier verbringen können, an diesem magischen Ort, aber das schlechte Gewissen hatte sie veranlasst, den Kontakt zwischen seiner Tante und ihm zu unterbinden. Als sie sich Foley’s Store näherten, wusste sie, dass der Augenblick der Wahrheit gekommen war – dass sie sich bald von einer Last befreit fühlen würde, gleich wie Rumer auch reagieren mochte. Sie hatte einen hohen Preis für die Erleichterung bezahlt, die heute Abend auf sie wartete.
Der Laden befand sich genau in der Mitte von Hubbard’s Point. Von hier aus breiteten sich Cottages in sämtliche Himmelsrichtungen aus – bis zu den Grenzen, die vom Strand, den Eisenbahngeleisen, der Marsch und der kleinen Bucht gebildet wurden. Der Friedhof, auf dem ihre Mutter und Zebs Eltern begraben waren, befand sich im Norden der Ortschaft, gleich hinter der Biegung. Ihre Mutter stumm um Verzeihung bittend, nahm Elizabeth Rumers Hand und ging mit ihr die gemauerten Stufen hinauf.
»Erinnerst du dich, wie ich dich immer mitgenommen habe, um für ein paar Penny Süßigkeiten zu kaufen?«
»Damals hast du mich auch an der Hand gehalten.«
Sie gingen an der einzigen Kasse vorbei, wo ein junges Mädchen während der Sommerferien aushalf – vermutlich die Tochter einer alten Freundin der beiden – und in einer Zeitschrift las, während sie auf die Kunden wartete. Nur wenige Leute eilten durch die Gänge, einen Einkaufskorb am Arm. Die Erfrischungshalle war rappelvoll mit Jugendlichen, und Elizabeth erinnerte sich, wie sie dort mit ihren Freunden gesessen hatte. Die Wände waren fleckig von der Salzluft, die Jahrzehnte lang ihre Spuren hinterlassen hatte; die breiten Dielenbretter waren abgenutzt und zersplittert von den Füßen mehrerer Besuchergenerationen aus Hubbard’s Point.
Ein paar Leute erkannten sie.
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