Sternstunde der Liebe (German Edition)
Seine Zunge war weich, stupste sie mit einer Ergebenheit an, die ihr Herz durchdrang, und sie spürte, wie ein Damm in ihr brach.
Stundenlang saß sie dort. Die Sonne schwand, und durch das vereinzelte Fenster in der Betonmauer sah sie, wie der Mond aufging. Sie saß auf dem kalten, sterilen Fußboden, bis der Hund seinen letzten Atemzug tat, bis sie sicher sein konnte, dass Zebs und Elizabeths Hochzeit vorüber war. Die beiden Ereignisse verschmolzen in ihrer Vorstellung, jedes für sich mit unfassbarer Traurigkeit behaftet.
Als es vorbei war, fühlte sie sich mehr als je zuvor in ihrer Überzeugung bestärkt, dass sie Tieren helfen wollte und dass die Liebe und Treue eines fremden Hundes unverbrüchlicher sein konnte als die ihrer Schwester und ihres ehemals besten Freundes.
Tiere hatten sie nie enttäuscht und sie hatte sich nach besten Kräften bemüht, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Als sie in die Peacedale Farm einbog, sprang sie aus dem Pick-up, den Arztkoffer in der Hand. Das Anwesen gehörte Edward McCabe. Er war ein Gutsbesitzer von echtem Schrot und Korn, ein vollendeter Gentleman mit einem ernsthaften Naturell. Er hatte in Deerfield und Dartmouth studiert, war Mitglied im Grange-Golfclub, im River Club und im Black Hall Reading Room. In den Jahren, seit Rumer ihn kannte, hatte er eine Reihe langfristiger Beziehungen gehabt, die bisweilen zur Verlobung, aber nie zum Traualtar geführt hatten. In jüngster Zeit hatten diese Beziehungen aufgehört.
Rumer betreute nicht nur sämtliche Tiere auf seiner Farm, sondern half Edward auch, eine angesehene, von seiner Mutter ins Leben gerufene Stiftung zu verwalten, die ihren Namen trug. Die Zeit, die sie miteinander verbrachten, hatte sie stets als wohltuend und ungezwungen empfunden: Sie liebten beide die Natur, Wandern, Radfahren und Tiere, insbesondere Blue – das Pferd, das Rumer seit dem Studium gehörte und auf der Farm untergestellt war.
Im letzten Jahr schien sie selbst zum Objekt von Edwards inniger Zuneigung geworden zu sein. Das Wort »Liebe« kam nie über ihre Lippen – sie wollte ihre harmonische Arbeitsbeziehung und Freundschaft nicht gefährden, aber seit einiger Zeit hatte sie den Verdacht, dass Edward sich mehr erhoffte.
»Blue«, rief sie nun und ging durch den Garten zur Weide hinüber.
Das betagte Pferd stand am Weidezaun und wieherte leise. Er war ein großer Brauner, dessen Fell den Glanz und seidigen Schimmer verloren hatte, der ihm in jungen Jahren zu eigen gewesen war. Er schlug mit dem schwarzen Schweif, warf zur Begrüßung den Kopf zurück. Rumer brach eine Möhre entzwei und trat näher, die offenen Handflächen nach oben gekehrt, spürte seine Lippen, mit denen er die Karotte behutsam entgegennahm, und seine samtigen Nüstern. Sie schlang die Arme um seinen Hals, schmiegte sich an ihn, spürte seine Zuneigung.
Dann kletterte sie über den Zaun, saß auf und ritt mit ihm ohne Sattel über die Weide. Er verfiel in einen leichten Galopp, machte einen großen Bogen um die zutage tretenden Gesteinsablagerungen und den Birkenhain, schlug den Weg zum Fluss ein. Sie dachte daran, wie lange sie schon beisammen waren – schon vor sechzehn Jahren hatte sie Michael hierher gebracht und ihm erlaubt, ihn zu reiten. Da war er nicht einmal zwei gewesen, bei seinem ersten Besuch an der Ostküste, als seine Eltern und seine Tante versucht hatten, wieder miteinander warm zu werden, das Eis in ihrer Beziehung zu brechen.
»Mein guter alter Blue«, flüsterte sie ihm ins Ohr, weit vornüber gebeugt, während ihre Stimme im Wind verklang, der durch die Talsenke wehte.
»Isch-isch« hatte Michael beim Anblick der Wetterfahne auf dem Fischmarkt gesagt, welche die Form eines Kabeljaus besaß, und »Buu« zu dem damals noch jungen Pferd.
»Sein Name ist Blue.« Rumer hatte den Jungen auf dem Pferderücken gestützt, dessen kleine Hände in die Mähne gekrallt waren.
»Buu«, hatte Michael gesagt und auf den blauen Himmel gezeigt. »Dada … buu.«
»Ja, dein Daddy ist dort oben, wo der Himmel blau ist«, hatte Rumer geantwortet. Während Blue einen Reitweg entlangtrabte, der durch schulterhohen Berglavendel und Rhododendrensträucher führte, hämmerte Rumers Herz, als liefe sie selbst statt zu reiten. Trotz des Bruchs zwischen ihr, Zeb und Elizabeth war es ihr gelungen, eine innige Beziehung zu Michael aufzubauen. Sie mochte unvollkommen sein, angefüllt mit zahlreichen Hindernissen, aber sie hatte den Jungen von Herzen
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