Sternstunde der Liebe (German Edition)
geliebt.
Elizabeth, inzwischen ein Broadway-Star, hatte den Sprung nach Hollywood geschafft, zeitgleich mit Zebs kometenhaftem Aufstieg an der UCLA. Michael hatte die beiden natürlich nach Kalifornien begleitet. Rumer hätte sich nicht einmal in ihren wildesten Träumen vorstellen können, dass mehr als ein Jahrzehnt bis zum nächsten Wiedersehen vergehen sollte. Bei ihrer letzten Begegnung war er sieben Jahre alt gewesen.
Als sie um die Biegung kamen, scheuchten sie eine Wachtel mit ihrer Brut auf. Rumer zuckte zurück, zwang Blue, eine langsamere Gangart anzuschlagen. Mit kerzengeradem Rücken, Blues schwarze Mähne locker in den Fingern haltend, ritt sie auf ihm durch die Junidämmerung. Als sie den steinigen Hügel hinter dem Stall erklommen, lächelte sie beim Anblick von Edward, der am Weidezaun auf sie wartete.
Er trug Kakihosen, die er in seine alten Reitstiefel gesteckt hatte, ein Hemd aus weichem grünem Sämischleder und eine Hornbrille. Seine Augen waren samtbraun, seine Haare überwiegend grau. Er trat beiseite und sah zu, wie Rumer vom Pferd stieg.
»Wie war der Ausritt?«, fragte er.
»Fantastisch, danke. Wie geht es dir?«
»Besser, meine Liebe, wie immer, wenn ich dich sehe.«
»Vielen Dank«, erwiderte sie lachend angesichts der Schmeichelei. Seine Mutter, die ungemein begüterte und blaublütige Tochter eines kleinen Raubritters, hatte Wert darauf gelegt, ihrem Sohn so erstklassige Manieren beizubringen, dass sie ihre Wirkung nie verfehlten.
»Es gibt jedoch noch einen weiteren Grund, mich über dein Erscheinen zu freuen. Ich habe sämtliche Stallkatzen zusammengetrieben, die jährlichen Impfungen sind fällig. Außerdem kommt der Amtsarzt morgen, und ich möchte sichergehen, dass es bei den Impfpapieren des Milchviehs nichts zu beanstanden gibt.«
»Gut. Machen wir uns gleich an die Arbeit.«
Sie betraten die große rote Scheune, in der es schattig und kühl war. Der Geruch nach Stroh, Tieren und unbehandeltem Holz hüllte sie ein. Licht drang durch die Ritzen der Bretterwände und Pollen tanzten in der Luft.
Edward hatte die Katzen und ihre Jungen in einem der Futterbehälter eingesperrt, und als er nun den Deckel öffnete, wurde Rumer von einem vielstimmigen Miauen begrüßt. Die Katzen lebten schon seit Generationen auf dem Hof, seit den Anfängen der Peacedale Farm. Schwarze, schwarz-weiße, gelblichbraune und getigerte: Sie maunzten und wanden sich, um ihrem Gefängnis zu entkommen.
Während Edward assistierte, begann Rumer mit ihrer alljährlichen Untersuchung, die im Sommer stattfand und zu einem Ritual geworden war. Die älteren Katzen besaßen bereits eine Patientenkarte mit ihrem Namen und Anmerkungen zu ihrem Gesundheitszustand. Die neugeborenen erhielten eine Karte, eine Impfung und einen Namen.
»Desdemona, Abigail, T. C. …«
»Hör dir dieses Kerlchen an.« Edward hielt einen winzig kleinen schwarzen Kater hoch, der so laut schnurrte, dass es wie ein ratterndes Räderwerk klang. Rumers Herz drohte auszusetzen, als sie sich darin erinnerte, wie Zeb und sie einmal einen herrenlosen kleinen Kater beim Austragen der Zeitungen gefunden hatten. Sein Schnurren hatte Ähnlichkeit mit dem Grollen des Donners oder einem Außenbordmotor gehabt, und Zeb hatte ihn »Evinrude« getauft.
»Evinrude«, sagte Rumer nun, gab ihm die Spritze und rieb ihm dann den Rücken, um das Brennen an der Einstichstelle zu lindern. Trotz der Schmerzen schnurrte der kleine Kater weiter. »Du bist richtig aufgedreht, stimmt’s?«
»Nanu!«, scherzte Edward. »Du wirst doch wohl nicht etwa emotionale Bindungen entwickeln?«
»Berufsrisiko.« Rumers Magen flatterte bei der seltsamen, unwillkommenen Erinnerung an Zeb. Sie küsste den kleinen Kater und setzte ihn ins Stroh. Er flitzte über einen zersplitterten, hölzernen Stützbalken auf den Heuboden hinauf, wo er sich seinen Brüdern und Schwestern zugesellte. »Evinrude« wiederholte sie leise und fühlte sich plötzlich beunruhigt.
»Ein origineller Name«, meinte Edward.
»Nicht wirklich. Den hat sich jemand vor langer Zeit ausgedacht.«
Er sah sie fragend an, aber sie hatte ihren Blick auf den Heuboden gerichtet.
»Sie führen ein beneidenswertes Leben, findest du nicht?« Edward sah zu, wie die Kätzchen im Heu umhertollten. »Nichts als schlafen und Milch trinken.«
»Hmmm.« Rumer wischte sich den Schweiß von der Stirn und machte sich auf den Weg zum Kuhstall. Es gelang ihr, sich auf ihre Arbeit zu besinnen, sich zur Konzentration
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