Sternstunde der Liebe (German Edition)
Person ausgerechnet um Rumers Schwester Elizabeth handelte.
Ein weiterer Schlag, noch mehr Erinnerungen.
Rumer fuhr schneller, wünschte sich, sie würden aus dem offenen Fenster ihres Pick-up davonfliegen. Sie dachte an den Hochzeitstag der beiden zurück, vor annähernd zwanzig Jahren. Natürlich war sie eingeladen gewesen. Elizabeth hatte sie sogar gebeten, ihre Brautjungfer zu sein.
»Bitte, Rue«, hatte sie gesagt und ihre Hand gehalten. »Ich weiß, dass es im Moment schwer für dich ist, aber das geht vorbei … wir lieben dich beide, das weißt du doch, oder?«, hatte sie gebettelt, wobei sich das Wörtchen »wir« – das Elizabeth und Zeb meinte – wie ein Eissplitter in Rumers Herz bohrte.
»Wie kannst du mir so etwas zumuten?«, hatte Rumer mit bebender Stimme und klammer Haut erwidert.
»Weil du meine Schwester bist.«
»Das ist der Grund?«
»Natürlich. Ich brauche dich, ohne dich stehe ich die Hochzeit nicht durch.«
»Dann lass es doch bleiben«, war es aus Rumer herausgebrochen, die Worte zischend wie Pfeile in der Luft. Elizabeth hatte lange geschwiegen – schockiert, als hätte man sie geschlagen.
»Zieh einen Schlussstrich unter das Kapitel«, hatte Elizabeth endlich gesagt. »Bitte. Sei meine Brautjungfer. Komm zur Hochzeit.«
»Ich kann nicht.«
»Wir streiten uns wegen eines Mannes? Verstehe ich dich richtig – du grollst mir und lässt zu, dass wir uns deswegen entzweien? Wegen des Nachbarjungen, Rumer? Er hat dort schon ewig gelebt – du hattest alle Zeit der Welt, um ihm klarzumachen, dass du ihn liebst, falls dem so ist. Nur weil ihr gemeinsam Zeitungen ausgetragen habt –«
»Es war mehr als das, und du wusstest es!«
»Das wusste ich nicht, nicht wirklich … Ich habe mitbekommen, dass du für ihn schwärmst, aber ihr wart noch grün hinter den Ohren. Du bist mit anderen Jungen ausgegangen – und er mit anderen Mädchen. Zwischen euch war nichts Ernstes, Rumer – egal, was du gedacht haben magst.«
Rumer hatte sie wortlos stehen lassen.
Tränen waren über ihre Wangen geströmt. Noch heute konnte sie das salzige Nass beinahe schmecken, das in ihre Mundwinkel geflossen war. Sie hatte das Gefühl gehabt, als sei ihr Brustkorb mit glühenden Kohlen gefüllt, die gegen ihre Rippen drückten. Der Schmerz war so groß gewesen, dass sie befürchtet hatte, es sei ein Herzanfall. Während sie davongehastet war und dann zu laufen begann, um von Elizabeth wegzukommen, hatte sie wirklich gemeint, sterben zu müssen. Sie hatte es sich sogar gewünscht.
Elizabeth wusste nicht alles. Zeb hatte ihr das Geheimnis nicht verraten: Dass es sehr wohl ernst zwischen ihnen war. Dass zwischen ihnen eine magische Verbindung bestand. Und sie um ein Haar miteinander geschlafen hätten. In jenem letzten Frühjahr … und für beide wäre es das erste Mal gewesen.
Irgendetwas war schief gegangen: Es hatte ein Missverständnis gegeben, und danach hatte sich keine Gelegenheit mehr geboten. Elizabeth hatte sich auf ihn gestürzt, hinter Rumers Rücken, und Zeb war ihr mit Freuden ins Garn gegangen.
Das Spießrutenlaufen am Strand, vorbei an all den Leuten, die sie kannten, die ihre Familie kannten. Einige hatten Zeb und sie miteinander aufwachsen sehen – sie waren ihre Zeitungskunden gewesen, die Eltern ihrer Freunde. Wussten sie von Elizabeth und Zeb? Rumer fühlte sich gedemütigt bei dem Gedanken.
Sich die großen Augen vorzustellen, die Elizabeth gemacht hatte, als sie ihre Schwester – traurig und mit aberwitziger Unschuldsmiene – bat, ihre Brautjungfer zu sein, wühlte Rumer noch heute auf. Wie konnte Elizabeth ihr das antun? Und was hatte sich Zeb dabei gedacht? Sie fühlte sich von beiden verraten.
Verrat: ein hochtrabender Begriff, der ins Theater gehörte, in ein Drama von Shakespeare, in eine Oper, aber nicht in einen malerischen, friedlichen Ort wie Hubbard’s Point. Dass er ausgerechnet in dieser Idylle stattgefunden hatte, machte das Ganze nur umso schlimmer.
Während jener Sommerwochen, als Elizabeth mit Hochzeitsvorbereitungen beschäftigt war, hatte Rumer auf der Warteliste der veterinärmedizinischen Fakultät der Tufts University gestanden; Mitte Juli hatte sie die Mitteilung erhalten, dass sie zum Studium zugelassen worden war. Sie hatte Freudentränen vergossen: Gott sei Dank hatte sie das College abgeschlossen, bevor das alles geschehen war.
Sie war unfähig gewesen, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Sie hatte sich abgestumpft, ausgelaugt
Weitere Kostenlose Bücher