Sternstunde der Liebe (German Edition)
Vermächtnis – in gleichem Maße geliebt wie Rumer und Zeb. Wenn man der Legende Glauben schenken durfte, war er Menschen dienstbar gewesen, die er eigentlich hätte hassen müssen – weil sie ihm dieses unglaublich schöne Land gestohlen hatten. Zeb hatte es auf den Punkt gebracht: Onkel Lote hatte das Land geliebt, nicht nur in Besitz genommen.
»Danke, Onkel Lote«, rief sie und hielt Zebs Hand umklammert, als er sie hochzog.
»Wofür, Rumer? Warum bedankst du dich bei ihm?«
»Weil er uns allen etwas beigebracht hat. Allen Kindern und Jugendlichen in Hubbard’s Point, die etwas über ihn gelernt haben …«
»Und was hat er uns beigebracht?«
»Du weißt schon.« Sie küsste Zeb. »Dass wir unseren Platz auf der Welt, den wir lieben, nie völlig verlassen. Was immer geschehen mag und wohin wir auch gehen.«
»Ist das Teil der Lektion, die ich vor zwanzig Jahren verpasst habe?«
»Keineswegs«, flüsterte sie. »Du kanntest sie damals schon. Und bist zurückgekehrt.«
»Außerdem habe ich dich die ganze Zeit von oben im Auge behalten …«
Der Strahl des Leuchtturms zerschnitt den Himmel, löschte die Sterne aus. Rumer dachte an Elizabeth, die Mutter der ersten Clarissa. Auch sie hatte die Lektion verpasst – war mit Captain Thorne auf und davon gesegelt. Ihr Schiff war gesunken, und sie waren in Sichtweite des Landes, das ihre Rettung gewesen wäre, ertrunken.
»Die Planierraupen kommen morgen«, sagte Rumer und erstickte fast an dem Wissen, dass sich der Garten der Franklins und damit das Gesicht von Hubbard’s Point unwiderruflich verändern würden und Zeb und sie nichts tun konnten, um beides zu retten.
»Ich weiß.«
»Du hast dir so große Mühe gegeben, es zu verhindern …«
»Aber es hat nicht gereicht.« Zeb zog sie enger an sich. »Komm.« Er nahm ihre Hand.
»Zurück nach Hause?«
»Zum grünen Cottage. Meinem Haus … ein letztes Mal.«
Sie liefen los, durch den Wald, als würde Onkel Lote ihnen Flügel verleihen. Als sie den schmalen abschüssigen Pfad hinunterrutschten, verhinderte Zeb mit seinem Körper, dass sie stürzte. Ihre Füße hämmerten in gleichmäßigem Rhythmus über den harten silbernen Sand des großen Strandes. Sich an den Händen haltend, rannten sie über den Steg die schmalen Stufen des öffentlichen Weges hinauf, der durch Zebs ehemaligen Garten führte.
Das grüne Haus auf dem Hügel wirkte nackt. Vorher zwischen Kiefern und Eichen geschmiegt, stand es nun schutzlos unter dem sternenhellen Himmel. Rumer schlug das Herz bis zum Hals – wie vermutlich jedes Mal und noch für lange Zeit, wenn sie sah, dass die Bäume verschwunden waren.
Zeb ging zu dem flachen Stein, bevor ihm einfiel, dass der alte Messingschlüssel nicht mehr da war – das Schloss war ausgewechselt worden. Die Straße entlangspähend, vergewisserten sich Rumer und er, dass kein Wagen aus dem Fuhrpark der Franklins dort abgestellt war. Das Haus wirkte menschenleer, im Inneren brannte nirgendwo Licht.
Auf der Nordseite stehend, suchte Zeb mit den Händen am Schornstein Halt. Er war krumm und schief, mit schmalen Stufen – von den Mauersteinen gebildet, die sich von einer breiten Basis zu einer geraden, schlanken Säule verjüngten. Als er sich die ersten eineinhalb Meter bis zur untersten Stelle, die einen festen Tritt bot, hochzog, blickte er über seine Schulter.
»Schaffst du das?«, rief er Rumer zu.
»Locker, Mayhew, schließlich bin ich ein alter Hase. Hast du eine Ahnung, wie oft ich morgens hier heraufgeklettert bin, um an dein Fenster zu klopfen, wenn wir Zeitungen austragen mussten und du wieder mal verschlafen hattest?«
»Ich weiß, Larkin.« Trotzdem streckte er die Hand aus, die sie ergriff, damit er sie hinaufziehen konnte.
Stein für Stein kletterten sie den Schornstein hinauf. Als sie die niedrigste Ebene des Daches erreicht hatten, trat Zeb beiseite, um Rumer den Vortritt zu lassen. Sie trippelte davon wie ein Krebs, direkt unterhalb der Giebelfenster, stets festen Halt suchend, bevor sie die zweite Ebene erklomm. Sich an der Oberkante des Giebelfensters festklammernd, schwang sie sich auf den Dachfirst.
Zeb war unmittelbar hinter ihr. Sie nahmen Seite an Seite Platz, schöpften Atem. Vom Wasser wehte eine stetige Brise herüber, hielt sämtliche Mücken fern, unten auf der Erde, drüben in der Marsch und am Indian Grave. Rumer hielt Zebs Hand und dachte an all die Versprechen, die sie heute Abend erfüllt hatten.
Ihr Blick schweifte über die Lichtung,
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