Sternstunde der Liebe (German Edition)
auf der die Bäume gestanden hatten, ruhte liebevoll auf jedem einzelnen Felsen und Findling im Garten. Der Geruch nach frisch geschlagenem Holz war immer noch stark. Die Luft duftete nach Kiefernharz, betäubend wie Geißblatt-Nektar. Wir gehören hierher, dachte sie. Ich bin die Erde, er ist der Himmel. Ich hole ihn auf die Erde herab, und er fliegt mit mir zum Mond. Wohin wir auch gehen, hier hat es zwischen uns begonnen.
»Das ist mein Zuhause!«, rief Zeb zu den Sternen empor.
Sie blinkten über ihnen am Firmament – ein weißglühendes Feuer in der samtigen Schwärze. Rumer erkannte Orion, den Großen Bären, den Bärenhüter und die Plejaden. Die Sterne hatten Zeb in all den Jahren behütet und ihn am Ende zu ihr zurückgeschickt. Sie schickte ein stummes Dankgebet zum Himmel, bevor sie ihre Aufmerksamkeit wieder der Erde zuwandte.
»Dein Zuhause«, sagte Rumer.
»Das Haus und der Dachfirst werden morgen verschwunden sein.« Zeb starrte die gelbe Planierraupe und den Kran mit der Abrissbirne an, die unten auf der Straße standen.
»Ich kann es einfach nicht glauben.« Die ganze Liebe, die sie für Hubbard’s Point empfand, wallte in Rumer auf und strömte heraus, als Zeb sie in die Arme nahm. Der Schornstein stand an einem, die Einhorn-Wetterfahne am anderen Ende des Daches, wie zwei Wächter. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, als sie daran dachte, was sie hatten und was sie verlieren würden.
»Geben und nehmen, Rue«, flüsterte er. »Das ist eine wichtige Wahrheit im Leben …«
»Warum ist es zu viel verlangt, Dinge bewahren zu wollen, die für die Ewigkeit gemacht sind? Bäume, Felsen, dieses alte Haus …«
»Wir beide sind zusammen. Und werden nie vergessen, wie es war. Bewahre alles in deinem Herzen, Larkin: Spüre es jetzt, mit allen Sinnen, damit es in unserer Erinnerung weiterlebt.«
»Nie vergessen.« Rumer wischte sich die Augen an Zebs Ärmel ab, spähte durch das Fenster nebenan und entdeckte ihren Vater, der in seinem Sessel eingeschlafen war. Er hatte die Füße hochgelegt, ein Buch schwankte auf seinem Schoß hin und her.
Sie dachte an Sixtus Larkins Lehrbuch für Pädagogen, und die Worte hallten in ihren Gedanken nach: Jedes Kind braucht ein Sanktuarium.
Das hier war Rumers Sanktuarium. Hubbard’s Point und seine verwilderten, verwunschenen alten Gärten. Hier hatte sie nach und nach entdeckt, wer sie war – eine Frau, die Tiere so sehr liebte, dass sie beschloss, Veterinärmedizin zu studieren. Das Kap war ihr Lehrmeister, und die Gärten, wie Mrs. Mayhew gesagt hatte, ihr Allerheiligstes.
»Da oben ist die neue Konstellation, von der ich dir erzählt habe«, sagte Zeb und deutete nach oben. »Ich wünschte, ich könnte sie vom Himmel holen und dir zu Füßen legen.«
»Die Frau auf dem geflügelten Pferd.« Sie blickte hinauf, konnte es durch den Himmel galoppieren sehen; die Frau hatte den Arm um den Hals des Pferdes geschlungen, flog mit ihm, an seinen Nacken geschmiegt, über Felsen, Büsche und Kaninchen hinweg. »Beginnt ihr nächtliches Abenteuer gerade erst? Oder ist es beendet?«
»Es beginnt«, sagte Zeb und küsste ihren Scheitel.
»Wie heißt es? Das neue Sternbild?«
»Es kommt nur ein Name in Frage, da es sich um Blue und dich handelt, auf dem Weg zu mir. Ich finde, es sollte True Blue heißen, weil es für mich ein Symbol unverbrüchlicher Treue ist. Die unverbrüchliche Treue meiner Freundin Rumer.«
»Wir beide gehören zusammen, Zeb.« Sie schlang die Arme um seinen Nacken. »Was immer auch geschehen mag. Ich möchte, dass wir diesen Ort immer in liebevoller Erinnerung behalten.«
»Das versteht sich von selbst.«
»Und einander.«
»Für immer und ewig, Rumer.« Er zog sie an sich und küsste sie leidenschaftlich. »Wie früher.«
Als sie sich voneinander lösten, vernahmen sie Stimmen. Reglos verharrend, damit man sie nicht entdeckte, sahen sie, dass sich unten auf der Straße ein Menschenauflauf bildete. Stimmengemurmel und das Geräusch von aufflammenden Streichhölzern und Feuerzeugen drangen zu ihnen herauf. Eine weiße Kerze wurde angezündet, dann brannte noch eine und noch eine.
»Was ist denn das?«, flüsterte Zeb.
Rumer, von ehrfürchtigem Staunen erfüllt, brachte kein Wort über die Lippen.
Sie sahen, wie Michael, eine brennende Kerze in der Hand, den Hügel zu Rumers Haus hinauflief. Er stürmte hinein, ohne anzuklopfen, und rüttelte seinen Großvater wach. Sixtus versuchte sich mit schlaftrunkenen Augen aufzuraffen,
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