Sternstunde der Liebe (German Edition)
schon eine ganze Schulklasse voll stummer Jungen gesehen …«
»Mit der Schule ist Schluss. Hat deine Schwester dir nichts erzählt? Er hat beschlossen, vorzeitig abzugehen.«
Aus Rumers unbewegter Miene konnte er nicht schließen, ob sie es wusste oder nicht. Redeten Elizabeth und sie überhaupt miteinander? Er war sich nicht sicher. Die enge Beziehung zwischen den Schwestern war ihm stets ein Rätsel gewesen. Nach der Heirat war es ihm vorgekommen, als habe er sich noch weiter von den beiden entfernt statt ihnen näher zu kommen.
»Tut mir Leid zu hören.«
»Einfallsreichtum liegt in der Familie, oder? Zee hat den Sprung zum Broadway geschafft, ohne ein College zu besuchen – sie meint, eine allzu formale Ausbildung sei nur dazu angetan, die Aktivität der linken Hirnhälfte abzuwürgen. Sie sei der Tod jedes Künstlers, weil sie auf seiner Kreativität herumtrampelt. Sie unterstützt ihn vorbehaltlos.«
»Die Entscheidung, auf den Besuch eines College zu verzichten, ist eine Sache«, erwiderte Rumer heftig. »Wenn er entdeckt, dass er es wirklich nicht braucht. Aber die Highschool ohne Abschluss zu verlassen …«
Der Dunst lag schwer in der Luft, sogar auf dem Hügel. Als Zeb hinaufblickte, waren die Sterne hinter dem Schleier verborgen. Er wusste jedoch, auf dem Dach würde der Himmel ihm gehören: Die Sternbilder würden ihre Geschichte erzählen und ihm dabei helfen, den Sinn seines Lebens zu finden. Er wünschte sich beinahe, es wäre bereits September und er könnte sich in das Abenteuer stürzen, sein neues Forschungslabor in Besitz und in Betrieb zu nehmen. Als er Rumer ansah, wurde ihm klar, dass die magische Verbindung zwischen ihnen ein für alle Mal zerbrochen war. Plötzlich fühlte er sich mutlos und niedergeschlagen, konnte sich nicht aufraffen, die Treppe, den Schornstein oder die Kletterpflanzen zu erklimmen, die an der Seite des alten Hauses wuchsen.
»Möchtest du hinauf?« Rumer war seinem Blick gefolgt.
»Nein. Ich habe dort nichts zu suchen. Das Haus gehört mir nicht mehr.«
Der Strahl des Wickland-Leuchtturms glitt über ihre Köpfe hinweg, verhalten durch den leichten Dunstschleier. Rumer stand reglos da, sah ihm nach. Ihr Blick war fest, ihre Augen waren blau wie der Himmel bei Tageslicht. Zeb dachte über das Phänomen nach, dass man die Sterne bei Tageslicht sehen konnte, unmittelbar durch das klare Blau, aber nicht heute Nacht, an dem Ort, an dem er sie zu lieben gelernt hatte.
»Es ist dein Haus«, erklärte Rumer mit heiserer Stimme. »Das war es immer und wird es immer bleiben. Gleichgültig, was sonst auch geschehen sein mag.«
Zeb machte keine Anstalten, sich zu bewegen oder zu antworten. Rumer sah ihn durchdringend an, schien eine Botschaft zu empfangen, die zu übermitteln nicht seine Absicht gewesen war. Es kam ihm vor, als hätte sie ihn fallen lassen: Sie war zur nächsten Etappe ihres Lebens weitergezogen und würde nicht viel Zeit damit verschwenden, zurückzukehren. Sie schickte sich zum Gehen an, dann drehte sie sich noch einmal um.
»Hast du Lust, morgen Abend mit Michael zum Essen zu kommen? Um Dad und mir die Gelegenheit zu geben, ihn vor der Hochzeit wiederzusehen?«
»Gerne, Rumer. Danke –«
»Ich freue mich auf Michael.«
Sie ging davon, ohne zurückzublicken. Hatte sie mit Absicht einen derart beleidigenden Ton angeschlagen – sie freue sich auf Michael, nicht aber auf Zeb? Er sah ihr nach, als sie durch das hohe Gras stapfte, mit flimmernden Glühwürmchen um ihre Knie, und im Nachbarhaus verschwand. Ein Stück weiter die Straße entlang konnte er Sixtus’ prachtvolle alte Herreshoff in ihrem Hebegerüst hinter der Garage ausmachen, blank poliert in den Schatten. Zeb verharrte noch einen Moment in seinem eigenen Garten, ließ sich noch einmal alles durch den Kopf gehen, was sie gesagt hatte.
In einem Punkt hatte sie sich getäuscht.
Es war nicht mehr sein Haus; nicht im Entferntesten – er hatte es zurückgelassen. Die Hochzeit fand Samstag statt, in eineinhalb Tagen. Der ganze Sommer lag vor ihm, wie eine unbekannte Landschaft. So wie er sich jetzt fühlte, hätte er sich am liebsten in sein Auto gesetzt und das Weite gesucht, ohne einen Blick zurückzuwerfen. Sein Forschungslabor in Kalifornien wartete auf ihn; rein theoretisch hätte er gleich loslegen und ein Mitarbeiterteam aufbauen können. Er hatte Bücher und Kartenmaterial mitgenommen, um mit den Recherchen zu beginnen, aber vielleicht befand er sich hier am falschen Platz.
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