Sternstunde der Liebe (German Edition)
beobachtete. Michael saß, die Arme um die Knie geschlungen, reglos am Meeresufer. Es hatte damals immer wieder vereinzelte Tage gegeben, in denen Zeb auf dem Weg zum nächsten Start und Elizabeth noch auf dem Rückweg war, sich ihre Termine überschnitten und Michael mit dem Kindermädchen allein bleiben musste. Der Anblick seines Sohnes versetzte Zeb einen Stich: Er erinnerte sich, wie er damals auf den Treppenstufen vor dem Haus gesessen und auf die Heimkehr seiner Eltern gewartet hatte.
»Du hast mächtig viel erreicht.« Sixtus wand seine knorrigen Hände. »Aber dein Sohn hat die Highschool geschmissen.«
»Das ist mir verdammt bewusst.«
»Was willst du dagegen unternehmen?«
»Ich hoffe, dass dieser Sommer etwas bewirkt. Dass wir beide uns näher kommen und er sich so weit öffnet, dass meine Worte endlich etwas fruchten. Ich erzähle ihm andauernd, wie wichtig eine gute Ausbildung ist, aber er will nichts davon hören. Hört mir nicht einmal zu … ich möchte, dass er seinen Highschoolabschluss macht und anschließend aufs College geht. Ich hoffe, dass du ihn zur Vernunft bringen kannst. Du und Rumer.«
Sixtus neigte den Kopf zur Seite. Er spähte zu seinem Enkel hinüber, der bewegungslos auf den Felsen saß, und Zeb fragte sich, was der alte Mann denken mochte. Michaels lange Haare wehten im Wind, das rote Kopftuch ein flammendes Signal seiner Rebellion. Zeb fühlte sich orientierungslos, wie nach dem Verlassen der Überdruckkammer. Er dachte an seinen eigenen Vater, der ihm die Haare abgeschnitten hatte, während er schlief, und fühlte sich, als hätte ihm jemand einen Tritt in die Eingeweide verpasst.
»Akademische Grade sind nicht das, was zählt«, sagte Sixtus nach einer Weile.
»Du hast leicht reden, schließlich besitzt du mehrere.«
Der alte Mann winkte kopfschüttelnd ab. »Du bist nicht auf den Kopf gefallen, aber manchmal verdammt schwer von Begriff. Du hast doch auch einige, und schau, was sie dir gebracht haben!«
Die Wut stieg mit solcher Macht in Zeb hoch, dass er seine ganze Willenskraft aufbieten musste, um sie in Schach zu halten. Auf dem Kap zu sein war in mehrfacher Hinsicht schmerzhaft genug, auch ohne sich von Elizabeths Vater beleidigen zu lassen. Er sprang auf und begann hin- und herzumarschieren.
»Ich weiß, dass du dich hundeelend fühlst.« Sixtus erhob sich ebenfalls. »Das kann jeder sehen, der Augen im Kopf hat. Die Kummerfalte auf deiner Stirn ist so tief wie ein Schützengraben. Du kommst dir vor, als würdest du das Gewicht der ganzen Welt auf deinen Schultern tragen, und keiner deiner verdammten akademischen Grade nimmt es dir ab.«
»Im September wird ein neues Forschungslabor eröffnet! Mit einem Etat von zweihundertfünfzig Millionen Dollar, und ich bin zum Leiter ernannt! Herrgott, Sixtus – willst du, dass ich das Kap verlasse? Nichts lieber als das. Ich fahre noch heute los, Richtung Westen – Michael kann mitkommen oder bleiben, ganz wie er möchte.« Zeb begann, seine Bücher in den Karton zu stopfen, den er gerade erst ausgepackt hatte. »Ich brauche keine Belehrungen – oder was immer das sein soll – von einem Mann, der mir nichts als Verachtung entgegenbringt. Das hatte ich zur Genüge von meinem Vater.«
»Zeb.« Sixtus legte seine verkrüppelte Hand beschwichtigend auf Zebs Arm.
»Lass gut sein.« Zeb riss sich los, packte die Bücher noch verbissener ein.
»Ich verachte dich nicht.«
»Den Teufel tust du.«
»Wie kommst du auf die Idee?«
»Das entnehme ich deinem Tonfall, in dem du mit mir redest. Und der Tatsache, dass du mir die Schuld zuschiebst, Elizabeth geheiratet und Rumer verletzt zu haben. Und weil ich deinem Enkel ein lausiger Vater bin, nicht dafür gesorgt habe, dass du ihn häufiger zu Gesicht bekommst. Reicht das?«, knurrte Zeb.
»Puuuh.« Sixtus schüttelte den Kopf, sah Zeb mit seinen wässrigen blauen Augen an, in denen ein Funke glomm. »Kommt mir eher so vor, als ob du dich selbst verachtest.«
Zeb hielt jäh inne. Das Buch, das er gerade einpacken wollte, fiel ihm aus der Hand und landete mit einem dumpfen Aufprall im Karton. Sixtus hatte Recht, und so sehr ihm Hubbard’s Point auch gefiel, alles wies ihn unumwunden auf ebendiese Tatsache hin.
»Eine ungeheure Zeitverschwendung.« Sixtus sagte es ganz ruhig.
»Wovon redest du?«
»Von Selbstverachtung. Das habe ich am eigenen Leibe erlebt.«
»Wann?«
»Als du ein kleiner Junge warst. Der Junge von nebenan. Rumer und du wart ein Herz und eine Seele,
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