Sternstunde der Liebe (German Edition)
unterhalten, als die Mädchen angerannt kamen, um uns zu erzählen, was mit dem Fischadler passiert war. Er hatte gar keine andere Wahl.«
»Hat er seine Sache gut gemacht?«
»Nicht übel.« Rumer sah wieder Zebs ruhige Hände vor sich, wie er den rasenden Fischadler festgehalten hatte, ohne mit der Wimper zu zucken.
»Vielleicht sollten wir ihn zum Praktikanten befördern«, sagte Mathilda, auf das Programm anspielend, das Rumer vor zwei Jahren ins Leben gerufen hatte: Die jungen Highschool-Absolventen erhielten bei ihr die Möglichkeit, einen Tag lang Praxisluft zu schnuppern, um zu sehen, wie eine Tierärztin arbeitet.
»Keine Chance. Aber würde es dir etwas ausmachen, heute Nachmittag allein die Stellung zu halten? Ich möchte zu Blue; Edward und ich wollen ausreiten, unten am Fluss.«
»Kein Problem. Aber ich finde trotzdem, dass jeder, der es schafft, einen verletzten Fischadler zu bändigen, zur Familie gehört.« Dann biss sie sich auf die Lippe, als wäre ihr gerade erst aufgegangen, was sie gesagt hatte, und fügte schuldbewusst hinzu: »Ich weiß, manchen Leuten sollte man das lose Mundwerk stopfen.«
»Das hatten wir schon, wenn du dich erinnerst. Zeb war einmal Teil unserer Familie …«
»Womit wir wieder bei der Frage wären, ob ein Tiger seine Streifen ändern kann, oder anders ausgedrückt, kann ein Mensch aus seiner Haut heraus?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Rumer. »Aber selbst wenn er sich geändert haben sollte, stellt sich die Frage, ob ich ihm vergeben und alles vergessen kann.«
»Vergessen, nein.« Mathilda umarmte sie. »Aber vielleicht vergeben.«
Rumer nickte. Sie brannte darauf, zur Farm hinauszufahren und Blue zu reiten. Edward würde geduldig auf sie warten, die Pferde gesattelt, startbereit. Rumer malte sich aus, wie er im Stall arbeitete, das Vieh versorgte. Sie wünschte sich, der Gedanke an Edward möge sie dahinschmelzen lassen, sie von Zebs beunruhigender Bitte ablenken, nach einem Zeichen Ausschau zu halten, sie vor den Gefühlen bewahren, die in ihr aufwallten und bewirkten, dass sie innerlich glühte und ihr der Atem stockte, wenn sie nur an Zeb dachte.
Rumer hatte Sprechstunde, und Sixtus war an diesem Tag ausgeflogen. Zeb stand im Garten und fragte sich, ob sein Werk im Mondlicht zu sehen sein würde. Er hielt die Spule in der Hand und wickelte sie langsam ab, während er sich in der Eiche zwischen ihren Gärten, dem ersten Baum, auf den Rumer als Kind geklettert war, von Ast zu Ast hangelte.
»Ah-häm«, sagte Winnie und räusperte sich.
»Du hast mich erwischt! Unbefugtes Betreten eines fremden Grundstücks.«
»Stimmt. Auf einem Baum in Rumers Garten, am helllichten Tag … Das ist eine Straftat, die gesühnt werden muss.«
»In welcher Form?«
»Du musst dich mit mir unterhalten. Unverzüglich … lass alles stehen und liegen und heitere eine alte Frau auf.«
Lachend stieg Zeb vom Baum. Winnie mochte alt sein, aber sie war unverwüstlich. Sie streckte ihm die Hand entgegen, die er küsste, bevor er sie umschloss und Hand in Hand mit ihr auf der Lichtung zwischen Rumers und seinem früheren Garten stand.
»Du bist so schön wie eh und je«, sagte er galant. »Und wirst immer jung bleiben.«
»Darling, zu einem Auftritt an der Met reicht es nicht mehr. Oder auch nur im Bushnell. Die Glanzzeiten meiner beiden heiß geliebten Freunde, Moshe Paranov und Dr. Nagy, gehören längst der Vergangenheit an. Sie haben eine Menge dazu beigetragen, die Oper nach Hartford zu bringen. Früher war Connecticut in dieser Beziehung das reinste Sibirien. Sie engagierten mich und – ach, lassen wir das, das stimmt mich nur traurig. Ich bin die Letzte, die übrig geblieben ist …«
»Aber du schlägst dich wacker, Winnie.« Zeb war tief bewegt, als er Tränen über ihre verrunzelten Wangen rinnen sah. Er legte die Arme um ihre mageren Schultern. »Ich weiß, dass es schwer ist.«
»Du verstehst mich.«
Er nickte. »Ein erfülltes Leben haben, sich mit Menschen verbunden fühlen, die man schätzt – liebt, und dann zerbrechen diese Beziehungen.«
»Wir sind uns seltsam ähnlich, was die berufliche Laufbahn betrifft.« Winnie trocknete ihre Augen mit einem Spitzentaschentuch. »Wir haben beide ein gewisses Maß an Ruhm mit einer Tätigkeit erlangt, die unser Ein und Alles war. Ich mache mir Sorgen um dich, weißt du.«
»Warum?«
»Weil du unsanft auf der Erde gelandet bist, nach einem Jahrzehnt der Höhenflüge, dem Griff nach den Sternen.«
»So ist
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