Sternstunde der Liebe (German Edition)
sein, oder?«, sagte er.
»Ich scherze nicht, wenn es um Geister geht.«
Er nickte; sie sah, dass er versuchte, schlau aus ihr zu werden.
»Sei froh, dass du deine Eltern nicht verloren hast. Andernfalls würdest du verstehen, was ich meine.«
Draußen vor der Küste glitt der Strahl des Leuchtturms wie spielerisch über den Himmel.
»Ich habe sie verloren. Wie ich dir neulich im Boot erzählte …«
»Das meinst du nur.« Ihre Stimme klang sanfter als jemals zuvor. »Aber es ist etwas völlig anderes, wenn sie wirklich tot sind. Das kann man nicht vergleichen, glaube mir.«
Bei Tante Danas Hochzeit hatte Quinn bei dem Namen Michael automatisch an eine »Steinmauer« gedacht. Als sie nun in seine Augen sah, fiel ihr nur »verlorene Seele« ein. Die Empfindungen, die mit diesem Begriff verbunden waren, brachten das Eis in ihrem Herzen zum Schmelzen – auch wenn sie dagegen ankämpfte. Allie erteilte ihr gute Ratschläge aus der Ferne: Sei nett zu ihm, konnte sie ihre Schwester sagen hören.
»Lässt du schon wieder deinen Frust an mir aus? Fehlt nur noch, dass du mich anbrüllst.«
»Hah. Sehr komisch.«
»Da bin ich aber froh, dass du es so siehst.«
Der Nachtwind wurde kühl, und Quinn zog die Decke ein wenig höher. Sie dachte daran, wie ihre Eltern diese Decke an Sommertagen ausgebreitet und stundenlang mit ihren Töchtern am Strand gesessen hatten. Inzwischen waren einige Jahre vergangen und die Decke war schäbig und von Motten zerfressen.
»Ich lache nicht«, fauchte Quinn.
»Noch nicht. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.«
»Was hast du in meiner Kuhle zu suchen, wenn ich dich so nerve?«
»Du hast mich eingeladen. Und jetzt möchte ich mir in Ruhe den Film anschauen.«
»Richtig. Der Film.«
Völlig fassungslos stellte sie fest, dass Michael Mayhew unter der weichen Decke nach ihrer Hand griff.
Seine Hand fühlte sich groß und stark an, und als er ihre Hand drückte, geriet ihr Blut in Wallung. Es war das erste Mal, dass Quinn im Strandkino – oder sonst wo – mit einem Jungen Händchen hielt, und sie war derart beschäftigt zu registrieren, wie gut sie sich bei dieser »Premiere« fühlte, dass es sie vor Schreck beinahe umhaute, als gleich darauf die zweite stattfand: Michael küsste sie.
Quinn sah Sterne. Ein Gefühl stieg in ihr auf, erfasste sie wie eine Welle, als habe die Flut von ihrem Körper Besitz ergriffen. Es erfüllte sie, ebbte wieder ab, wogte hin und her wie das Meer, das den Sand am Ufer liebkoste. Michaels Mund lag auf ihren Lippen, heiß und feucht, als teilten sie sich eine Haut.
»Was soll das?«, flüsterte sie.
»Ich küsse dich. Soll ich dir erklären, was das ist?«
»Du bist verrückt.«
»Möglich.«
»Der Film fängt an …«
»Manchmal küssen sich die Leute auch im Kino«, flüsterte er.
»Ich nicht«, sagte Quinn, als er die Arme um ihren Hals legte und sie sich abermals küssen ließ.
14
E r hatte gesagt, sie solle die Augen aufhalten.
Dass sie das Zeichen auf Anhieb erkennen würde, wenn sie es sah.
Vierundzwanzig Stunden lang, seit der Rettung des Fischadlers, hatte Rumer unter Hochspannung gestanden. Sie ertappte sich dabei, wie sie gegen ihren Willen Ausschau hielt. Jedes Mal, wenn ein Wagen vorbeifuhr, schrak sie hoch. Wenn sie ein Fahrrad auf der Schotterstraße hörte, verrenkte sie sich den Hals. Sie musste den Verstand verloren haben und ermahnte sich, mit dem Unfug aufzuhören.
In der Praxis schrieb sie einen Bericht an die zuständige Umweltschutzbehörde und füllte Formulare aus, in denen sie die Verletzung des Fischadlers und die Rettungsmaßnahmen beschrieb. Jede Frage erinnerte sie an Zeb. Er spukte ihr fortwährend im Kopf herum, und obwohl sie sich die größte Mühe gab, ihn aus ihren Gedanken zu verbannen, spürte sie immer noch seine Arme um ihre Schultern, zu eindringlich und real, um das Gefühl zu verdrängen.
»Wie war’s?«, erkundigte sich Mathilda zwischen zwei Patienten und blätterte den Bericht für die Umweltschutzbehörde durch.
»Als wenn man versuchen würde, auf einem Wasserspeier zu operieren. Der Vogel hatte mehr Energie als hundert Katzen. Er hätte mit seinen Krallen und seinem Schnabel Hackfleisch aus uns machen können –«
»Ich wünschte, ich wäre dabei gewesen.«
»Ich hatte einen Assistenten. Gewissermaßen.«
»Aha.«
»Zeb, ob du es glaubst oder nicht.«
»Dr. Larkin! Was verheimlichst du mir denn sonst noch alles!«
»Da war nichts weiter. Wir haben uns gerade miteinander
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