Sternstunde der Liebe (German Edition)
es.« Er drückte sie an sich.
»Ich kenne diese Höhenflüge. Ich habe sie auf der Bühne erlebt, in New York, Mailand, Venedig, sogar in Hartford …«
»War er hart für dich, der … Karrierewechsel?«, fragte Zeb, seine Worte umsichtig wählend.
»Wie diplomatisch von dir«, lachte sie. »Du meinst, als ich mit meiner Stimme keine Zuschauer mehr hinter dem Ofen hervorlocken konnte und mich damit begnügen musste, Gesangsunterricht zu erteilen? Ja, das war hart.«
Zeb blickte schweigend zum Firmament empor, wo er selbst bei Tageslicht die funkelnden Sterne im Blau des Himmels sah.
»Fällt dir der Gedanke schwer, ein Labor zu leiten? Weltraumforschung von der Erde aus zu betreiben statt vor Ort?«
»Ja.« Der Gedanke lag ihm wie ein Stein im Magen.
»Vielleicht erzählst du einem von uns, was dir da oben widerfahren ist.«
»Irgendwann einmal. Vielleicht«, sagte er, in die Betrachtung der Sternbilder versunken.
»Das Leben geht weiter, Zeb. Ich könnte genauso gut beschließen, Trübsal zu blasen, weil ich nicht mehr in ausverkauften Häusern auftrete, aber ich bin weich gelandet, mit beiden Beinen auf der Erde, hier in Hubbard’s Point.«
»Wo dich alle lieben.«
»Das gilt auch für dich.«
»Nicht alle …«, sagte Zeb.
»Ach ja, Rumer.« Winnie nickte. »Unsere hochverehrte Frau Dr. Larkin.«
»Ich glaube, ihr wäre es am liebsten, wenn ich mich umgehend auf die Socken mache und dorthin zurückkehre, wo ich hergekommen bin.«
»Deiner Herkunft nach gehörst du nach Hubbard’s Point«, gluckste Winnie.
»Ich meine Kalifornien. Wo sich das Forschungslabor befindet.«
»Wie mir scheint, wartet bei uns genug Arbeit auf dich. Die Kinder haben mir von dem Fischadler erzählt, den ihr beide, Rumer und du, gerettet habt. Wenn ich jetzt einen in der kleinen Bucht vor meinem Haus fischen sehe, fällt mir sofort mein lieber Freund Zebulon Mayhew und seine jüngst entdeckte Gabe ein, die heilende Berührung.«
»Danke, Winnie.«
»Und es liegt auf der Hand, dass deine Arbeit hier noch nicht beendet ist.« Winnie berührte die Spule in Zebs linker Hand, sah ihm lächelnd in die Augen.
»Das ist doch Kinderkram.« Es war ihm peinlich, dass sie ihn ertappt hatte.
Winnie schüttelte den Kopf. »Nein, Darling. Ganz und gar nicht. Alle großen Opern erzählen die Geschichte von einer Liebe, der das Schicksal zum Verhängnis wird. Verpasste Gelegenheiten, tödliche Krankheiten, gebrochene Herzen, Verrat … ich habe sie alle gesungen.«
»Hast du einen guten Rat für mich?«
»Natürlich.« Winnies Augen sprühten Blitze.
»Ich höre.«
»In der Oper endet selbst die größte Liebe in einer Tragödie. In Hubbard’s Point muss das nicht so sein. Deine Liebe zu Rumer begann im ersten Akt, in der Kindheit. Welche Torheiten du mit Elizabeth auch begangen haben magst, sie sind Teil des zweiten Akts. Aus und vorbei.«
»Und jetzt …«
»Und jetzt ist Sommer, dritter Akt.« Winnie berührte abermals seine Hand, danach die Spule.
»Was soll ich tun?« Er wollte es wirklich wissen, baute auf die Weisheit dieser alten Frau, die Rumer und ihn seit Ewigkeiten kannte und liebte. Er hatte sich selbst einzureden versucht, dass er nur gekommen war, um Vergebung zu erlangen, doch als sie den Fischadler freigelassen hatten und er Rumer im Arm hielt, war ihm bewusst geworden, dass er sich weit mehr wünschte. Er wartete, bis Winnie das Wort ergriff.
»Auf keinen Fall einen Rückzieher machen, lieber Junge«, sagte Winnie ruhig, die grünen Augen vollkommen ernst. »Lass dich nicht von ihr ins Bockshorn jagen. Und hab keine Angst …«
»Angst wovor?«
»Dich mit einer spektakulären Geste, oder auch zwei, lächerlich zu machen«, sagte sie, tippte gegen die Spule und küsste ihn auf die Wange. »Ich habe zwei Gesangsschüler, die jeden Moment aufkreuzen werden. Ich muss gehen …«
»Danke, Winnie.«
Als Zeb den Blick hob und ihr nachsah, entdeckte er den Fischadler, der seine weiten Kreise zog. Er bewegte kaum die Schwingen, sondern ließ sich vom Wind tragen. Sein Höhenflug sah unendlich leicht aus – er schwebte, glitt gemächlich über den Strand und das Meer. Aber Zeb wusste, dass er auf der Jagd war, ums Überleben kämpfte, allen Gefahren trotzend, die der herrliche Tag verbarg.
Als Winnie mit wehendem buntem Kaftan hinter der Hecke ihres eigenen Gartens verschwand, packte Zeb den untersten Zweig der Eiche und zog sich wieder ins Geäst hinauf. Der Gedanke an Rumer erfüllte ihn, und
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