Sternstunden des Universums
Rückschlüsse auf Ausbreitung und weiträumige Verteilung der Radionuklide gewinnen. Im Prinzip eröffnen derartige Untersuchungen einen Blick in ein viele Millionen Jahre altes Endlager. Das Ergebnis ist sowohl überraschend als auch beruhigend. Denn obwohl die Natur keine wie auch immer gearteten Barrieren aufgebaut hatte, um die Verbreitung der Radionuklide zu unterbinden, ergaben die Untersuchungen, dass sich auch nach so langer Zeit ein Großteil der gefährlichen Substanzen nicht vom Ort ihrer Entstehung entfernt hat. Weder eingedrungenes Wasser noch geologische Prozesse noch die unvermeidliche Verwitterung der Gesteine haben zu einem Abtransport beziehungsweise einer Verflüchtigung der Radionuklide geführt. Bereits wenige Zentimeter außerhalb der ehemaligen Reaktorbereiche war von den Spaltprodukten nichts zu finden. Dazu gehören insbesondere Uran, Neptunium, Plutonium, Technetium und Elemente aus der Gruppe der Lanthanoide, der seltenen Erden.
Besonders deutlich wurde das am Beispiel des Plutoniums. Am Anfang des Kapitels wurde bereits beschrieben, wie in einem Reaktor durch den Einfang von Neutronen U238-Kerne in das Plutoniumisotop Pt239 umgewandelt werden. Dieses Isotop zerfällt mit einer Halbwertszeit von 24000 Jahren unter Abspaltung eines aus je zwei Protonen und Neutronen bestehenden Heliumkerns zu U235. Wenn also das Pt239 im Laufe der Zeit von seinem Entstehungsort weggewandert wäre, dann sollten in der Nachbarschaft Bereiche zu finden sein, wo der Gehalt an U235 gegenüber anderen Bereichen erhöht ist. Aber obwohl die untersuchten Bereiche zum Teil nur Zentimeter voneinander entfernt waren, war das Verhältnis von U235 zu U238 überall gleich. Das bedeutet, das dem U235 vorausgehende Plutonium blieb mindestens über einen mit der Lebensdauer des Plutoniums vergleichbaren Zeitraum ortsfest. Allerdings fanden sich auch Elemente, die weniger »sesshaft« waren. Dazu gehörten beispielsweise einige Alkalimetalle wie Rubidium und Cäsium, Erdalkalimetalle wie Strontium und Barium und das Halogen Iod.
Zum Schluss noch eine kleine Anekdote: Gegen Ende einer Konferenz zum »Oklo-Phänomen« im Juni 1976 in Libreville, der Hauptstadt Gabuns, mit 70 Teilnehmern aus 20 Ländern ließen einige Anwesende ihrer Fantasie freien Lauf. Schließlich gipfelten die Spekulationen in der Annahme, bei Oklo könne es sich um eine Hinterlassenschaft Außerirdischer handeln. Vielleicht waren es Mitglieder einer hoch entwickelten extraterrestrischen Kultur, die in grauer Vorzeit mit ihren Raumschiffen hier gelandet sind, ihre ausgebrannten Kernreaktoren entsorgt haben und wieder abgereist sind, nachdem sie ihre Brennstoffvorräte ergänzt hatten. – Nach diesem Diskussionsbeitrag sollen es einige Teilnehmer sehr bedauert haben, dass man unglücklicherweise nicht daran gedacht hatte, zu dieser Konferenz auch Stanley Kubrick einzuladen.
Kapitel 2
Ein Tag – so lang
Waren Sie schon mal auf dem innersten Planeten unseres Sonnensystems, dem Merkur? Natürlich nicht! Aber wenn Sie dort gewesen wären, hätten Sie sich vermutlich sehr über die Sonne gewundert. Nicht nur vergehen dort von einem bis zum nächsten Sonnenaufgang rund 176 Erdentage, auch scheint sich die Sonne über ihren Weg am Merkurhimmel nicht ganz im Klaren zu sein. Am Äquator bleibt sie zur Mittagszeit kurz stehen, läuft dann ein Stück rückwärts, hält erneut inne, um sodann wieder in der ursprünglichen Richtung weiterzuwandern. Ein noch eindrucksvolleres Schauspiel bekäme man geboten, wenn man sich zur selben Zeit an einem Ort auf dem Merkur aufhielte, der entweder um ein Viertel des Äquatorumfangs nach Osten beziehungsweise nach Westen versetzt ist, wo sich die Sonne gerade anschickt, auf- beziehungsweise unterzugehen. Ein Beobachter könnte dort einen doppelten Sonnenauf- beziehungsweise Sonnenuntergang erleben: Bevor die Sonne am Morgen ihre Reise über den Himmel beginnt, verschwindet sie nochmals kurz unter dem Horizont. Am Abend, nachdem sie unter den Horizont gesunken ist, taucht sie nochmals kurz auf, um erst dann endgültig unterzugehen. So etwas kennt man auf unserer Erde nicht. Diese Besonderheit ist absolut einmalig und nirgendwo sonst im Sonnensystem anzutreffen (Abb. 6).
Auf unserer Erde geht die Sonne im Osten auf und im Westen unter. Das liegt daran, dass sich die Erde, blickt man von oben auf den Nordpol, entgegen dem Uhrzeigersinn dreht und dass eine Umdrehung in einer deutlich kürzeren Zeit erfolgt als ein Umlauf um die
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