Sternstunden des Universums
Wechselwirkung nicht immer unabhängig davon ist, welche Teilchenart der jeweiligen Wechselwirkung unterworfen wird. Es kann sein, dass eine Wechselwirkung alle Teilchenarten gleich behandelt. Es kann aber auch sein, dass sie Unterschiede in der Art der Behandlung macht. Ist Ersteres der Fall, so sagt man, es herrscht Symmetrie bezüglich dieser Grundkraft. Anderenfalls spricht man von einer Verletzung der Symmetrie.
Ein Beispiel soll das verdeutlichen. Stellen wir uns eine Kugel vor. Von welcher Seite auch immer man die Kugel betrachtet, sie sieht stets gleich aus. Auch in einem Spiegel betrachtet, bleibt die Kugel eine Kugel. Es herrscht also vollkommene Symmetrie bezüglich einer Spiegelung der Kugel. Anders verhält es sich mit Ihrem Gesicht. Da es kaum jemanden gibt, dessen beide Gesichtshälften völlig identisch sind – und sei es nur eine Sommersprosse, die auf der linken Gesichtshälfte an einer anderen Stelle sitzt als auf der rechten –, sieht ein Betrachter Ihr Gesicht im Spiegel anders, als wenn er Sie direkt ansieht. Die Symmetrie hinsichtlich einer Spiegelung ihres Gesichts ist also verletzt.
Bei den fundamentalen Wechselwirkungen kennt man drei Arten von Symmetrie: die Ladungssymmetrie C (charge), die Spiegelsymmetrie P (parity) und die Zeitsymmetrie T (time). Ladungssymmetrie bedeutet Symmetrie gegenüber einem Tausch der Polarität der Teilchenladung. So wird beispielsweise aus einem Elektron mit negativer Ladung nach einem Tausch der Polarität ein Positron mit gleich großer, aber positiver Ladung. In diesem Fall ist das gleichbedeutend mit einem Wechsel von normaler Materie zu Antimaterie, denn das Positron ist das Antiteilchen des Elektrons. Herrscht hier Symmetrie bezüglich der Wirkung einer Wechselwirkung, so sind Materie und Antimaterie nicht zu unterscheiden. P steht für eine räumliche Spiegelung. Besteht P-Symmetrie, so sind »links« und »rechts« gleichwertig, das heißt ununterscheidbar. Das Spiegelbild eines symmetrischen Objekts, beispielsweise eines perfekten Ahornblattes, sieht genauso aus wie das Original. Und schließlich sind T-Prozesse solche, bei denen die Zeit entweder keine ausgezeichnete Richtung hat, die Prozesse also zeitlich umkehrbar sind, oder sich ein vom Ausgangszustand abweichendes Ergebnis einstellt, wenn man den Prozess hat rückwärts laufen lassen.
Es zeigt sich nun, dass für die starke, für die elektromagnetische Wechselwirkung und auch für die Gravitation sowohl die C- als auch die P-Symmetrie erhalten sind. Für die schwache Wechselwirkung, die den radioaktiven Zerfall von Teilchen regelt, ist C und P jedoch maximal verletzt. Kombiniert man jedoch C und P, soll heißen, man wechselt die Polarität der Teilchenladung und unterwirft das Teilchen gleichzeitig einer räumlichen Spiegelung mit dem Ergebnis, dass man die Welt der Teilchen auf die der Antiteilchen abbildet, so sollte wieder Symmetrie herrschen. Die Physiker sagen dazu: Es herrscht CP-Symmetrie bezüglich der schwachen Kernkraft. Überraschenderweise hat sich aber herausgestellt, dass das nicht immer stimmt. So hat man zum Beispiel beim Zerfall von K-Mesonen (bestehend aus einem Quark und einem Antiquark), die man auch als Kaonen bezeichnet, etwas Seltsames entdeckt. Unter den verschiedenen K-Mesonen gibt es auch das K S - und das K L -Kaon. Das tiefgestellte S beziehungsweise L deutet an, dass die beiden Arten unterschiedlich schnell zerfallen (L = langsam, S = schnell). Das K S -Kaon zerfällt immer in zwei Pionen, auch π-Mesonen genannt, und das K L -Kaon sollte immer in drei Pionen zerfallen. Es hat sich aber gezeigt, dass das K L -Kaon mit einer sehr geringen Wahrscheinlichkeit auch in zwei Pionen zerfallen kann. Die CP-Symmetrie ist also verletzt. Da diese »Anomalie« nur bei etwa einem von 100000 direkten Zerfällen auftritt, spricht man von einer schwachen Verletzung der Symmetrie. Dennoch bleibt als Fazit: Materie und Antimaterie werden von der schwachen Kernkraft unterschiedlich behandelt.
Die Ursache für die schwache Symmetrieverletzung bei der schwachen Wechselwirkung ist nach wie vor unbekannt. Rätselhaft ist auch, warum im frühen Universum der anormale Zerfall der Anti-X-Bosonen noch um einige Größenordnungen seltener auftrat als entsprechende Zerfälle bei den Kaonenexperimenten. Galten damals andere Naturgesetze? Im Rahmen der heutigen Theorien des Standardmodells sollte die CP-Verletzung nicht vorkommen können. Das Modell scheint also unvollständig zu sein. Eine
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