Sternstunden des Universums
Universum sogar unendlich ausgedehnt ist. »Wie könnte der Raum nicht unendlich sein?«, fragt er. Steht irgendwo ein Schild: »Achtung, Raum endet hier«? Wie auch immer: Vom gesamten Universum können wir lediglich einen verschwindend kleinen Ausschnitt »einsehen«.
Hat nun die exponentielle Expansion, die das Universum zu riesenhafter, vielleicht sogar zu unendlicher Größe aufgebläht hat und auf der auch die Multiversum-Hypothese aufbaut, tatsächlich stattgefunden? Oder anders gefragt: Wie kommt es zu einer derart rasanten Ausdehnung quasi aus dem »Nichts«, und was treibt sie an? Hierzu müssen wir das »Nichts« genauer unter die Lupe nehmen. Könnte man aus einem abgegrenzten Raumbereich alle Materie und jegliche Art von Strahlung entfernen, um ein ideales »Nichts«, ein ideales Vakuum zu erzeugen, so wäre – wider Erwarten – der Raum nicht leer. Denn was aus dem Raum nicht zu entfernen ist, sind die Gesetze der Quantenmechanik. Die bereits angesprochene Unschärferelation erzwingt, dass selbst das »Nichts« schwankt: Im Vakuum entstehen und vergehen fortwährend Teilchen-Antiteilchen-Paare. Die für ihre Entstehung nötige Energie »entnehmen« sie dem Vakuum, und sie geben sie wieder an das Vakuum zurück, wenn sich Teilchen und Antiteilchen gegenseitig vernichten. Die Lebensdauer eines Teilchenpaares ist umso kürzer, je größer dessen Masse beziehungsweise der Energiebedarf für seine Materialisierung ist. Da die Teilchen nur für extrem kurze Zeit Bestand haben, spricht man auch von virtuellen Teilchen. Dem Leser mag das wie ein Taschenspielertrick der theoretischen Physik erscheinen, aber diese Schwankungen des »Nichts« – sogenannte Quantenfluktuationen – lassen sich experimentell nachweisen. Willis Eugene Lamb erhielt dafür 1955 den Nobelpreis.
Wenn also das Vakuum nicht nichts ist, welche Eigenschaften hat es dann? Betrachten wir dazu ein beliebiges Volumenelement. Gäbe es keine Quantenfluktuationen, so hätte das Vakuum die Energie null. Tatsächlich finden wir jedoch in dem Volumen materiebehaftete Teilchen positiver Energie und ein »Nichts«, dessen Energienullpunkt entsprechend der an die virtuellen Teilchen ausgeliehenen Energie abgesenkt ist. Damit jedoch die Gesamtenergie im Volumenelement unverändert null ist, muss die positive Energie der Teilchen durch eine entsprechend große negative Energie exakt kompensiert werden. Das bedeutet, dass das Vakuum im betrachteten Volumen eine negative Energie aufweisen muss. Da positive Energie gravitativ anziehend wirkt – Masse besitzt eine positive Energie, und nach Einsteins berühmter Formel E=mc 2 sind Energie und Masse einander gleichwertig –, muss negative Energie gravitativ abstoßend wirken!
Fazit: Das »Nichts« ist keineswegs leerer Raum! Es entpuppt sich als eine »Spielwiese« für Quantenfluktuationen, auf der für kürzeste Zeit alles entsteht und vergeht, was sich aus Energie »basteln« lässt: Teilchen, Felder und Dinge, von denen wir heute noch gar nicht wissen, dass es sie gibt. Und vor allem: Es besitzt eine negative Energiedichte (Energiedichte ist gleich Energie pro Volumen).
Doch was geschieht, wenn der Raum expandiert? Vergrößert man das von einem Gas eingenommene Volumen, so würde es verdünnt, es würde abkühlen, und die Energiedichte würde abnehmen. Quantenfluktuationen lassen sich jedoch nicht verdünnen! Vergrößert sich der Raum für das »Nichts«, so vergrößert sich auch die »Spielwiese« für Quantenfluktuationen, und entsprechend mehr Quantenfluktuationen können stattfinden. Folglich ändert sich nichts an der negativen Energie pro Volumen beziehungsweise an der negativen Energiedichte. Mit anderen Worten: Die gravitativ abstoßende Wirkung des Vakuums zeigt sich von der Expansion des Raums unbeeindruckt! Selbst bei extremer Expansion behält das Vakuum seine Eigenschaften unverändert bei und treibt den Raum mit konstanter Intensität auseinander.
Bleibt noch die Frage, wie kommt das Universum zu seiner Masse? Ursächlich ist der Zerfall eines speziellen Typs von Vakuum. Da die Gesetze der Quantenmechanik auch vor dem Energienullpunkt des Vakuums nicht haltmachen, schwankt das Niveau des Nullpunkts. Befindet sich der Energienullpunkt auf einem zu hohen, auf einem »falschen« Niveau, so spricht man von einem »falschen« Vakuum, einem Vakuum erhöhter Energiedichte. Dieser Zustand ist jedoch metastabil. Nach kurzer Zeit geht daher der »falsche« Nullpunkt in den »wahren«
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