Sternstunden des Universums
gewaltigen Gravitationsenergie zu tun. Ab hier wären sowohl die Allgemeine Relativitätstheorie als auch die Quantenmechanik zuständig. Doch die Heisenbergsche Unschärferelation, ein grundlegendes Gesetz der Quantenmechanik, vereitelt eine derartige »Kooperation«. Entsprechend dieser Regel ist der Impuls eines Teilchens und die damit verbundene Energie umso unbestimmbarer, also unschärfer, je genauer sein Ort festgelegt ist. Dementsprechend werden unterhalb einer Ausdehnung von 1,6 × 10 -35 Metern die Unschärfe des Impulses und die damit verbundene Energie derart groß, dass gemäß der Allgemeinen Relativitätstheorie das Universum zu einem Schwarzen Loch kollabieren muss. Über die Zustände in einem Schwarzen Loch lassen sich jedoch keinerlei physikalische Aussagen mehr machen.
Der Plancklänge lässt sich die sogenannte Planckzeit zu-ordnen. Mit 5,4 × 10 -44 Sekunden ist das die Zeit, die das Licht benötigt, um eine Strecke gleich der Plancklänge zurückzulegen. Ferner kann man noch eine »Plancktemperatur« (1,4 × 10 32 Grad) und eine »Planckdichte« (5,2 × 10 96 Kilogramm pro Kubikmeter) definieren. Diese vier Werte stecken die Grenzen unserer Erkenntnis ab. Aussagen über unser Universum sind demnach frühestens ab 5,4 × 10 -44 Sekunden nach dem Urknall physikalisch sinnvoll. Was die Zeit davor betrifft, ist alles Spekulation.
Ab der Planckzeit hat sich das Universum zunächst kontinuierlich ausgedehnt. Vorausgesetzt, die Expansion erfolgte mit Lichtgeschwindigkeit, so war das Universum 10 -35 Sekunden nach dem Big Bang bereits auf rund 3 × 10 -27 Meter herangewachsen. Damit verringerte sich auch dessen Dichte, und die Temperatur sank von 1,4 × 10 32 Grad auf circa 10 27 Grad. Man kann diesen Prozess vergleichen mit einem Gas, das in einem Zylinder mit einem beweglichen Kolben komprimiert wird. Gibt man den Kolben frei, so wird er von dem Gas aus dem Zylinder herausgepresst. Da das Gas dabei Arbeit an dem Kolben verrichtet, sinkt seine Temperatur. Den umgekehrten Vorgang kann man an einer Fahrradpumpe beobachten. Nach einigen kräftigen Pumpvorgängen ist der Pumpenzylinder deutlich wärmer geworden.
In der Zeit von 10 -35 bis mindestens 10 -33 Sekunden nach dem Big Bang durchlief das Universum eine Phase, in der es sich gewaltig aufgebläht hat. Dabei soll es seine Größe alle 10 -35 Sekunden verdoppelt haben. Das entspricht einer Expansion um den Faktor 2 100 beziehungsweise 10 30 ! Es könnte sogar sein, dass die Expansion noch schneller voranging, und zwar mit der Eulerschen Zahl e = 2,718 als Basis. Dann wäre das Universum entsprechend einer sogenannten e-Funktion angewachsen und hätte sich um den Faktor e 100 vergrößert, beziehungsweise es wäre rund 10 43 -mal größer geworden. Nach James Schombert vom Department of Physics an der University of Oregon soll sich das Universum in dieser Phase sogar um den Faktor 10 54 ausgedehnt haben. Dieser enorme Größenzuwachs in kürzester Zeit wird auch als »inflationäre Expansion« beziehungsweise als »Inflation des Universums« bezeichnet. Von da an verlief die weitere Expansion ungleich langsamer. Rechnungen haben ergeben, dass sich das Universum ab 10 -33 Sekunden nach dem Big Bang bis heute »nur« noch um einen Faktor 10 27 ausgedehnt hat.
Heute hat »unser« Universum einen Radius von rund 45 x 10 9 Lichtjahren. Diese Entfernung markiert den Horizont, das heißt den sichtbaren Rand des Universums, und wird daher als Horizontentfernung bezeichnet. Es ist die größte Entfernung, aus der uns Licht erreichen konnte. Dass diese Entfernung deutlich größer ist als diejenige, die sich ergibt, wenn man das Alter des Universums mit der Lichtgeschwindigkeit multipliziert, beruht darauf, dass man es nicht mit einem statischen Kosmos zu tun hat, sondern mit einem Universum, das sich während der 13,7 x 10 9 Jahre seiner Existenz kontinuierlich ausgedehnt hat. Demnach befindet sich der beobachtbare Teil des Universums innerhalb einer Kugel mit einem Radius gleich der Horizontentfernung, in deren Mittelpunkt die Erde liegt. Diesen Bereich bezeichnet man auch als das Hubble-Volumen. Das gesamte Universum ist jedoch um ein Vielfaches größer. Setzt man für die Inflation einen Faktor von 10 43 an (e 100 ), so liefert die Rechnung für das Gesamtuniversum sogar einen 10 17 -fach größeren Radius. Alan Guth gibt in seinem Buch einen Wert von 3 × 10 23 an, und der schwedisch-amerikanische Kosmologe Max Tegmark schließt nicht aus, dass das
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