Sternstunden des Universums
in der Physik unter Antimaterie Teilchen, welche die gleiche Masse haben wie das entsprechende Teilchen der normalen Materie, ansonsten jedoch entgegengesetzte Eigenschaften aufweisen. So hat beispielsweise das Antiteilchen des elektrisch negativ geladenen Elektrons, das sogenannte Positron, eine gleich große, jedoch positive Ladung. Treffen Teilchen und Antiteilchen aufeinander, so vernichten sie sich gegenseitig zu zwei Photonen entsprechender Energie. Man sagt auch, Materie und Antimaterie zerstrahlen, wenn sie zusammentreffen.
Bei der extrem hohen Temperatur im frühen Universum existierte nur eine Teilchenart, die sogenannten massereichen X- und Y-Bosonen. Aus Gründen der bereits erwähnten Symmetrie gab es von beiden gleich viele Teilchen und Antiteilchen. Ihre Entstehung verdankten diese Bosonen der Tatsache, dass Masse und Energie einander gleichwertig sind, das heißt, dass sich Energie in Masse umwandeln kann und umgekehrt, was in der berühmten Einsteinschen Gleichung E = mc 2 zum Ausdruck kommt. Demnach entstanden bei der hohen Energiedichte im frühen Universum durch Paarbildung fortwährend Bosonen-Teilchen-Antiteilchen-Paare. Zerfiel ein Teilchen wieder in seine Bestandteile, so konnte ein gleiches daraus wiederaufgebaut werden. Auch wenn sich zwei Bosonen gegenseitig vernichteten, war die Energiedichte im Kosmos groß genug, um wieder ein neues Paar aus der Energie des Universums entstehen zu lassen. Die Prozesse der Umwandlung und des Zerfalls waren also vollkommen reversibel, das heißt vollständig umkehrbar. Doch im Lauf der Expansion des Kosmos wurde das Universum kälter, und die Energiedichte nahm ab. Folglich zerfielen etwa 10 -33 Sekunden nach dem Urknall, bei einer Temperatur von 10 29 Kelvin, alle X- und Y-Bosonen in Quarks und Leptonen. Die X- und Y-Bosonen der normalen Materie zerfielen in normale Quarks und Leptonen, die X- und Y-Bosonen der Antimaterie in Anti-Quarks und Anti-Leptonen.
Und damit sind wir endlich bei dem vermeintlichen Wunder. Durch die Expansion und die damit einhergehende Abkühlung des Universums wurde die Symmetrie im Kosmos gebrochen. Entgegen allem, was zu erwarten war, erfolgte daher der Zerfall der Bosonen nicht symmetrisch! Am Ende kamen auf jeweils rund zehn Milliarden Antimaterieteilchen eben nicht genauso viele Teilchen normaler Materie, sondern ein Teilchen normaler Materie mehr. Das war ein Überschuss der Materie über die Antimaterie von eins zu zehn Milliarden. Doch damit nicht genug. Da es im Kosmos immer noch extrem heiß und die Materiedichte hoch war, kollidierten die Zerfallsprodukte unablässig miteinander. Da Teilchen und Antiteilchen nicht nebeneinander existieren können, artete das in eine gigantische Vernichtungsorgie aus. Jedes der zehn Milliarden Teilchen zerstrahlte mit den anderen zehn Milliarden Antiteilchen zu je zwei Photonen. Lediglich das eine Teilchen normaler Materie, das kein Antiteilchen finden konnte, entging der Vernichtung. Summa summarum blieb also von rund 20 Milliarden Teilchen nur ein einziges normales Materieteilchen übrig! Und aus diesem winzigen Überrest entstand alles, was wir heute im Universum vorfinden.
Spekulieren wir kurz, was aus dem Universum geworden wäre, falls der Zerfall der X- und Y-Bosonen völlig symmetrisch erfolgt wäre. Dann wäre kein einziges Teilchen übrig geblieben. Folglich gäbe es heute keine wie auch immer geartete Form von Materie, weder normale Materie noch Antimaterie. Im Universum hätten sich weder Sterne noch Galaxien noch Planeten bilden können, und Leben wäre natürlich auch nicht entstanden. Der Kosmos wäre völlig strukturlos geblieben. Lediglich Strahlung, also Photonen, die bei der gegenseitigen Vernichtung von Materie und Antimaterie entstehen, würde den Kosmos füllen.
Nun, so sind die Dinge nicht abgelaufen. Damit stellt sich die Frage: Kann man das Zustandekommen dieses Übergewichts der Materie über die Antimaterie erklären? Nehmen wir es gleich vorweg: Eine streng wissenschaftliche Erklärung steht noch aus. Aber es gibt Theorien, die auf den richtigen Weg zu führen scheinen. Der Schlüssel zur Teilchen-Antiteilchen-Asymmetrie ist vermutlich in einer Verletzung der CP-Symmetrie der schwachen Wechselwirkung zu suchen. Was soll das heißen?
Sie erinnern sich sicher noch an die vier fundamentalen Wechselwirkungen, die wir eingangs ausführlich besprochen haben und die allen Prozessen im Kosmos zugrunde liegen. Es hat sich gezeigt, dass das Ergebnis einer
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