Sternstunden des Universums
überhaupt. Darauf keine dumme Antwort zu geben ist nicht einfach. Hat die moderne Astronomie dazu überhaupt etwas Vernünftiges zu sagen? Wie unschwer zu erkennen, zielt diese Frage ja auf das »Ganze«, auf den kompletten »Bestand« des Universums. Bevor wir nach einer Antwort suchen, scheint es daher ratsam, sich zunächst mit dem zu befassen, was das Universum an »Substanz« beinhaltet.
Obwohl nach neuestem Erkenntnisstand Dunkle Materie und Dunkle Energie etwa 96 Prozent des Energiehaushalts des Universums ausmachen, sind beide Komponenten für die folgende Betrachtung von untergeordneter Bedeutung. Überdies weiß gegenwärtig sowieso niemand zu sagen, was man unter diesen Begriffen zu verstehen hat beziehungsweise um was es sich da handelt. Wir lassen daher diese mysteriösen »Substanzen« beiseite.
Über die restlichen 4 Prozent an »kosmischem Material« gibt uns das Standardmodell der Teilchenphysik Auskunft. Entsprechend diesem Modell setzt sich die uns bekannte Materie zum einen aus Quarks zusammen, zum anderen aus sehr leichten Teilchen, den sogenannten Leptonen. Insgesamt kennt man sechs unterschiedliche Quarks. Auch von den Leptonen gibt es sechs: drei elektrisch geladene Teilchen, das Elektron, das Myon und das Tau, und zu jedem dieser Teilchen noch ein ungeladenes Teilchen, ein Neutrino. Insgesamt sind das zwölf Elementarteilchen. Lediglich zwei der sechs Quarks, das Up- und das Down-Quark, sowie das Elektron reichen aus, um die Materie aufzubauen, mit der wir es in unserer Erfahrungswelt zu tun haben. Hinzu kommt nur noch das zu dem Elektron gehörende Elektron-Neutrino, ohne das ein radioaktiver Zerfall der Materie nicht möglich wäre. Warum die Natur darüber hinaus noch zwei weitere Teilchenfamilien vorrätig hat, die von den restlichen Quarks und Neutrinos gebildet werden – dem Charm- und dem Strange-Quark mit dem zugehörigen Myon und dem Myon-Neutrino sowie dem Top- und dem Bottom-Quark mit dem zugehörigen Tau und dem Tau-Neutrino –, ist eines der großen Rätsel der Teilchenphysik (Abb. 60).
Abb. 60: Elementarteilchen Quarks und Leptonen. Zum Aufbau der uns bekannten Materie nutzt die Natur nur die Teilchen der Familie I.
Streuexperimente in den 1960er-Jahren haben gezeigt, dass Protonen und Neutronen aus Quarks aufgebaut sind. Zwischen den Teilchen müssen daher Kräfte wirken, Elementarkräfte oder, wie man auch sagt, fundamentale Wechselwirkungen, welche die Quarks zusammenhalten. Insgesamt kennt man vier Wechselwirkungsarten: die starke und die schwache Kernkraft, die elektromagnetische Kraft und die Gravitation. Hinsichtlich ihrer Stärke, ihrer Reichweite sowie ihrer Wirkung auf die Materie unterscheiden sich diese Kräfte grundlegend. Am stärksten ist die sogenannte starke Kernkraft. Sie wirkt auf die elementaren Quarks, und sie ist für den Zusammenhalt der positiv geladenen Kernbausteine, der Protonen, in einem Atomkern verantwortlich. Ohne ihren Einfluss gäbe es keine Atomkerne, da die gegenseitige elektrische Abstoßung der Protonen den Kern sprengen würde. Ihre Reichweite ist jedoch sehr gering. Mit etwa 1 Billionstelmillimeter reicht sie nicht über die Abmessung eines Atomkerns hinaus.
Die Reichweite der schwachen Kernkraft ist noch rund tausendmal kürzer. Ihre Wirkung beschränkt sich auf die Quarks im Inneren der Kernbausteine, der Protonen und Neutronen, aus denen sich ein Atomkern zusammensetzt. Sie ist verantwortlich dafür, dass sich ein Quark in ein anderes Quark umwandeln kann, was immer dann geschieht, wenn beispielsweise aus einem Neutron (bestehend aus einem Up- und zwei Down-Quarks) ein Proton (bestehend aus zwei Up- und einem Down-Quark) wird. Nach außen macht sich das als sogenannter Beta-Zerfall bemerkbar. Dabei wird neben einem Elektron, dem Beta-Teilchen, noch ein Anti-Neutrino freigesetzt. Im Vergleich zur starken Wechselwirkung ist die schwache Wechselwirkung rund 100 Billionen Mal schwächer.
Die elektromagnetische Kraft wirkt auf alle elektrisch geladenen Teilchen. Sie sorgt dafür, dass sich gleichnamige Ladungen abstoßen und sich Ladungen entgegengesetzter Polarität anziehen. Prinzipiell verspüren geladene Teilchen die elektromagnetische Kraft über beliebig große Entfernungen. In der Natur ist jedoch eine Ansammlung von Ladungen einer Polarität meist durch eine gleiche Anzahl von Ladungen der entgegengesetzten Polarität umgeben, so dass das Ensemble nach außen elektrisch neutral erscheint. Ein Atom ist ein gutes Beispiel
Weitere Kostenlose Bücher