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Sternstunden des Universums

Sternstunden des Universums

Titel: Sternstunden des Universums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Lesch
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dafür. Die positive Ladung des Kerns in Form von Protonen wird durch die gleiche Anzahl der den Kern umgebenden negativ geladenen Elektronen abgeschirmt. Ein in der Nähe befindliches geladenes Teilchen merkt daher nichts von der Ladungsansammlung. Was die Stärke der elektromagnetischen Wechselwirkung betrifft, so reicht auch sie nicht an die der starken Wechselwirkung heran. Im Vergleich dazu ist sie etwa 100-mal schwächer. Wäre sie nur geringfügig stärker als die starke Wechselwirkung, so gäbe es keine Atomkerne: Die gleichnamigen Ladungen der Protonen würden sich gegenseitig abstoßen (Abb. 61).
    Betrachten wir noch das letzte Mitglied in dem Quartett der Wechselwirkungen: die Gravitation. Sie ist unglaublich schwach, 100 Billionen Billionen Billionen Mal schwächer als die starke Wechselwirkung. Das ist eine Eins mit 38 angehängten Nullen. Trotz dieser vermeintlichen Bedeutungslosigkeit ist ihre Wirkung fundamental. Da sie durch nichts abzuschirmen ist, sorgt sie über beliebig große Entfernungen für die gegenseitige Anziehung der Materie. Unter ihrem Einfluss fällt ein Stein zu Boden, stehen wir relativ fest auf der Erde, kollabieren interstellare Wolken zu Sternen, kreisen Planeten um diese heißen Gasbälle und verschmelzen ganze Galaxien miteinander. In den ersten paar Milliarden Jahren nach dem Urknall konnte sie die Expansion des Universums noch effektiv verlangsamen, mittlerweile haben jedoch Kräfte die Oberhand gewonnen, die den Kosmos immer weiter beschleunigt auseinandertreiben.

    Abb. 61: Vergleichende Betrachtung der vier elementaren Wechselwirkungen. In Stärke, Reichweite und Wirkung auf die Materie unterscheiden sich die vier Grundkräfte grundlegend.
    Damit ist die Liste der Elementarteilchen und Wechselwirkungen nahezu komplett. Doch etwas fehlt noch: Wer oder was vermittelt die Wirkung der vier Grundkräfte zwischen den Teilchen? Bei zwei Personen, die mithilfe eines Seils versuchen, sich gegenseitig heranzuziehen, dient das Seil als Überträger der Kraft von der einen Person auf die andere. Bei den vier elementaren Wechselwirkungen übernehmen Teilchen diese Aufgabe, sogenannte Feldquanten, auch Austauschbosonen genannt. Wie der Name schon andeutet, werden diese Feldquanten zur Kraftübertragung zwischen den Teilchen wechselseitig ausgetauscht. Die Austauschbosonen der starken Kernkraft sind die sogenannten Gluonen. Der Name leitet sich von dem englischen Wort »glue« ab, das für das deutsche Wort »Leim« steht. Insgesamt kennt man acht unterschiedliche Gluonen. Bisher hat man diese Teilchen nur indirekt beobachten können. Die schwache Wechselwirkung kennt nur drei Feldquanten, das Z-Boson und ein positiv sowie ein negativ geladenes W-Boson. Die elektromagnetische Kraft kommt gar mit nur einem Austauschboson aus, dem Photon, dem Träger der Lichtenergie (Abb. 62). Bleibt noch die Gravitation. Deren Austauschteilchen, die Gravitonen, wirken auf alle Elementarteilchen. Experimentell konnte die Existenz von Gravitonen bisher noch nicht bestätigt werden. Warum übrigens die Gravitation wie auch die elektromagnetische Wechselwirkung eine unendliche Reichweite haben, beruht auf der Tatsache, dass sowohl Photonen als auch Gravitonen keine Ruhemasse besitzen.
    Nach dieser Vorarbeit können wir uns an die Beantwortung der Frage heranwagen: »Wie kommt es, dass überhaupt etwas ist und nicht nichts?« Dass etwas ist, soll heißen, dass etwas Greifbares im Universum vorhanden ist, und das wird vermutlich niemand bezweifeln. Kneifen Sie sich mal in den Arm, und Ihnen wird sofort klar: Da habe ich etwas in der Hand. Dieses Etwas ist aufgebaut aus den soeben aufgelisteten Teilchen, die wiederum den erwähnten Kräften unterliegen. Das gilt nicht nur für unseren Arm, es gilt für alles, was wir im Universum an Materiellem vorfinden, angefangen von einzelnen Atomen bis hin zu Planeten, Sternen und Galaxien.
    BOSONEN (Kräfte)

    Abb. 62: Durch den Austausch von Feldquanten zwischen den Teilchen – daher der Begriff »Austauschbosonen« – wird die Wirkung der vier Grundkräfte auf die entsprechenden Teilchen übertragen.
    Als das Universum gerade mal 10 -43 Sekunden alt und 10 32 Grad heiß war, waren bis auf die Gravitation alle Wechselwirkungen in einer einzigen Kraft vereint, und der Kosmos war vollkommen symmetrisch. Das heißt, alle Teilchen waren gleich, ununterscheidbar und konnten sich ineinander umwandeln. Vor allem: Es gab genauso viel Materie wie Antimaterie. Dabei versteht man

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