Sternstunden des Universums
wiederum sehr grob genähert – 10 hoch 10 118 Meter. Sollte der Raum unendlich sein, so wäre auch die Anzahl der Riesenkisten und die Zahl identischer Hubble-Volumina unendlich. Mit anderen Worten: In einem unendlich ausgedehnten Universum gibt es zu unserer Welt unendlich viele identische Parallelwelten!
Die Existenz identischer Parallelwelten wirft die Frage nach der Geschichte in diesen Welten auf. Spielt sich in allen zur selben Zeit das gleiche Szenario ab? In seinem Buch Many Worlds in One untersucht Alex Vilenkin zusammen mit Jaume Garriga von der Universität Barcelona, welchen Verlauf die Geschichte in einem Hubble-Volumen nimmt. Dabei verstehen die beiden »Geschichte« als eine Reihe von Zuständen, die das System in aufeinanderfolgenden Zeitabschnitten durchläuft. In dem Quantensystem Hubble-Volumen schreitet die Geschichte in endlichen Zeitschritten voran. Folglich setzt sich ein endlicher Zeitabschnitt aus einer endlichen Zahl von Zeitschritten zusammen. Da sich das System Hubble-Volumen zu jedem Zeitpunkt nur in einer endlichen Zahl von Zuständen befinden kann, muss auch die Anzahl unterschiedlicher Geschichten des Systems endlich sein. Nach Vilenkin und Garriga beträgt die Anzahl aller möglichen Geschichten, die in einem Hubble-Volumen vom Urknall bis heute ablaufen können, 10 hoch 10 150 !
In einem angenommenen unendlichen Universum mit unendlich vielen Hubble-Volumina führt eine endliche Zahl von Geschichten zwangsläufig zu unendlich vielen Wiederholungen. Gleichzeitig garantiert die ungeheuer große Zahl 10 hoch 10 150 , dass nahezu alle erdenklichen Geschichtsvarianten vorkommen, zumindest solange sie nicht im Widerspruch zu den Naturgesetzen stehen. Selbst höchst unwahrscheinliche Prozesse werden irgendwann ablaufen, vorausgesetzt das System existiert ausreichend lange. Dazu würde beispielsweise auch ein so abstruses Ereignis wie der urplötzliche Kollaps einer riesigen Galaxie mit all ihren Sternen zu einem Schwarzen Loch gehören. Oder etwas bescheidener: eine Situation, in der eine vom Tisch gefallene Tasse sich von selbst wieder zusammensetzt und zurück auf den Tisch springt. All das ereignet sich nicht nur einmal, sondern in unzähligen Hubble-Volumina. Unmengen von Geschichtsvarianten werden sich dagegen nur geringfügig von der Historie unseres Planeten Erde unterscheiden. Dazu gehört auch die, bei der beispielsweise kein Asteroid auf die Erde stürzt und die Dinosaurier nicht ausgelöscht werden. Schließlich muss es auch ungezählte Varianten geben, die absolut identisch sind mit der Geschichte unseres Hubble-Volumens. Daraus ergibt sich die paradoxe Situation, dass just in diesem Augenblick nicht nur Sie, sondern noch unendlich viele mit Ihnen absolut identische Personen auf unendlich vielen Zwillingserden in anderen Hubble-Volumina dieses Buch in der Hand halten und dieses Kapitel über Parallelwelten lesen!
Von all diesen Welten haben wir keine Kenntnis. Sie liegen jenseits unseres Beobachtungshorizonts. Visionäre werden hier vielleicht ein »noch« anfügen und auf die ferne Zukunft verweisen. Wäre das Universum statisch, dann würde sich unser Horizont jedes Jahr um ein Lichtjahr weiten, und wir könnten immer tiefer ins All hinaussehen. Irgendwann, in sehr, sehr ferner Zukunft, würde auch Licht aus einem benachbarten Hubble-Volumen hier ankommen. Doch das Universum expandiert fortwährend, und was wir in ferner Zukunft zu sehen bekommen, hängt stark davon ab, wie das Universum expandiert. Expandiert es langsamer als mit Lichtgeschwindigkeit – um genau zu sein: von uns bis zum aktuellen Horizont langsamer als mit Lichtgeschwindigkeit –, dann können uns Photonen von immer weiter entfernten Objekten erreichen, und wir werden mit der Zeit einen immer größeren Teil des Universums einsehen können. Doch danach sieht es gegenwärtig nicht aus. Beobachtungen ferner Supernovae haben gezeigt, dass das Universum vor etwa fünf Milliarden Jahren von gebremster auf beschleunigte Expansion umgeschaltet hat. Geht das so weiter, dann verengt sich unser Horizont, anstatt sich zu weiten. Sehr wahrscheinlich wird jedoch erst eine in ferner Zukunft aufwachsende Generation einen deutlichen Unterschied zu heute feststellen können.
Halten wir kurz inne und fassen zusammen: Grundgedanke der Inflationstheorie ist eine exponentielle Expansion, mit dem Ergebnis eines möglicherweise unendlich ausgedehnten Universums mit unendlich vielen Hubble-Volumina, von denen jedes nur einen
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