Sternstunden des Universums
Bruchteil des gesamten Raums einschließt. Da alle Volumina ein und demselben Inflationsereignis entstammen, ist auch die »Ausstattung« aller Volumina identisch. So hat die Raumzeit in allen die gleiche Dimension, drei Raumkoordinaten und eine Zeitkoordinate, alle verfügen über einen identischen Satz an Naturkonstanten und Elementarteilchen, und in allen »regieren« identische Naturgesetze. Dass es dennoch rund 10 hoch 10 118 verschiedene Hubble-Volumina geben kann, liegt an unterschiedlichen Anfangsbedingungen, beispielsweise an der lokalen Materiedichte beziehungsweise an der Verteilung der Materie. Die Summe all dieser Parallelwelten bezeichnet man auch als das »Ebene-I-Multiversum« (Abb. 64).
Abb. 64: Modell eines Ebene-I-Multiversums. Parallel zu unserem Universum, zu unserer Hubble-Blase, umfasst ein Ebene-I-Multiversum von möglicherweise unendlicher Ausdehnung eine unendliche Anzahl anderer Universen, von denen wiederum unendlich viele unserem Universum aufs Haar gleichen.
In den Jahren 1986 und 1987 veröffentlichten sowohl Alex Vilenkin als auch Andrei Linde in der renommierten Zeitschrift Physics Letters neue revolutionäre Erkenntnisse zur Inflationstheorie. Der Unterschied zum alten Modell zeigt sich in der Dauer der Inflation. Die Geschwindigkeit, mit der das falsche in das wahre Vakuum übergeht, mit der also ein neues Universum entsteht, ist kleiner als die Expansionsgeschwindigkeit des falschen Vakuums. Das hat zur Folge, dass sich jene Bereiche des falschen Vakuums, die noch nicht zerfallen sind, mit exponentiell wachsender Geschwindigkeit ausdehnen. Eine einmal begonnene Inflation setzt sich demnach in alle Ewigkeit fort, wobei das vom falschen Vakuumzustand eingenommene Volumen unbegrenzt anwächst und neuen Raum für die Entstehung weiterer Universen schafft. Man kann das vergleichen mit Bakterien im menschlichen Körper, die sich durch Zellteilung vermehren. Vernichten die Fresszellen des Immunsystems pro Zeiteinheit mehr Bakterien, als durch Zellteilung neue entstehen, so stirbt der Bakterienstamm aus. Vermehren sich dagegen die Bakterien schneller, als sie vom Immunsystem vernichtet werden, so wächst ihre Zahl über alle Grenzen. Die Bereiche, in denen das falsche Vakuum zerfällt, bilden die Keimzellen neuer Universen. Jedes für sich startet mit einem Urknall und wird durch die Inflation zu einem Ebene-I-Multiversum aufgebläht. Im Urknall werden die fundamentalen Parameter festgelegt: die Dimensionen des Raums, die Werte der Naturkonstanten, die Eigenschaften der Materie und die Form der Naturgesetze. Da jedes Universum mit einem individuellen Urknall mit einem individuellen Parametersatz beginnt, entstehen auch viele, vielleicht unendlich viele Universen mit wiederum unendlich vielen unterschiedlichen internen Bedingungen. Die Summe aller aus der immerwährenden Inflation hervorgehenden Paralleluniversen bezeichnet man in Anlehnung an die Definition des Ebene-I-Multiversums als »Ebene-II-Multiversum« (Abb. 65).
Abb. 65: Modell eines Ebene-II-Multiversums. Es beinhaltet eine unendliche Anzahl von zueinander völlig unterschiedlichen Ebene-I-Multiversen, die gleich einsamen Inseln in einem Raum ewiger Expansion treiben.
Die Vorstellung, dass die Inflation in alle Zukunft anhält und fortwährend neue Universen hervorbringt, animiert unweigerlich zu der Frage: Hatte die Inflation einen Anfang und wenn ja, was war davor? Weder über das eine noch das andere weiß die Kosmologie gegenwärtig etwas zu sagen. Die wohl beste Antwort hat der Kosmologe Alan Guth gegeben. Auf »Was war vor der Inflation?« soll er geantwortet haben: »Noch mehr Inflation.«
Die weitere Entwicklung dieser unentwegt »hervorsprudelnden« Universen hängt wesentlich davon ab, wie viel Masse der »Zerfall« des falschen Vakuums dem Universum zur Verfügung stellt. Je höher das Niveau des Energienullpunkts des falschen Vakuums, umso mehr Masse wird das neue Universum enthalten. Sehr massereiche Universen werden nur kurz wie eine Sternschnuppe aufscheinen und unter dem Einfluss der Gravitation sofort wieder in sich zusammenfallen. Sehr massearme Universen dagegen dehnen sich rapide aus, bleiben aber strukturlos. In anderen Universen hat der Raum mehr als nur drei Dimensionen. Kurzum: In der Mehrzahl der Ebene-II-Parallelwelten werden die fundamentalen Parameter andere Werte aufweisen als in unserem Kosmos. Beispielsweise könnte dort ein Proton schwerer als ein Neutron sein, ein Elektron könnte eine
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