Sterntagebücher
manchmal noch auf halb invalide Weise funktionierten. Tetradoch Glambron führte eine Zensur der genetischen Codes ein, die bestimmte Arten von Genen für verboten erklärte, doch die zensurwidrigen Exemplare korrumpierten entweder die Kontrollorgane oder benutzten an öffentlichen Örtlichkeiten Masken, Ansatzhalter und ähnliche Dinge. Man klebte sich die Schwänze mit einem Pflaster am Rücken fest oder schob sie heimlich ins Hosenbein, und daß all dies praktiziert wurde, war ein offenes Geheimnis.
Pentadoch Marmosel, der nach dem Prinzip »divide et impera« handelte, erweiterte die Anzahl der zugelassenen Geschlechter. Unter seiner Regierung führte man neben Mann und Frau den Drann und das Reib ein sowie zwei Hilfsgeschlechter – die Stützer und die Anreifer. Das Leben, vor allem das erotische, wurde unter diesem Herrscher sehr kompliziert. Geheime Organisationen, die sich zu Beratungen zusammenfanden, taten dies unter dem Vorwand des von der Obrigkeit empfohlenen »Sex zu sechst«, was dazu führte, daß ganze Teile des Projekts annulliert wurden: Heute existieren nur noch der Drann und das Reib.
In der Ära der Hexadochen waren Anspielungen auf körperliche Formen gang und gäbe, mit denen die Chromosonenzensur umgangen wurde. Ich sah Konterfeis von Personen, bei denen die Ohrläppchen in kleine Waden übergingen – man wußte nicht, ob eine solche Person mit den Ohren wackelte oder ob es eine »anspielende Bewegung« war wie beim Ausschlagen. In bestimmten Kreisen schätzte man eine Zunge, die einen kleinen Huf an der Spitze hatte. Sie war zwar unbequem und zu nichts nütze, aber so manifestierte sich eben der Geist der somatischen Unabhängigkeit. Guryl Hapsodor, der als liberal galt, gestattete besonders verdienten Bürgern den Besitz eines zusätzlichen Beins; man betrachtete dies als ehrenvolle Auszeichnung, und später diente solch ein Bein, nachdem es seinen Fortbewegungscharakter verloren hatte, zur Kennzeichnung eines öffentlichen Amtes; höhere Beamte hatten bis zu neun Beine; dadurch konnte man den Rang eines jeden sogar im Bad sofort erkennen.
Unter der Herrschaft des strengen Rondr Ischiolis wurden keine Genehmigungen für zusätzliche Körpererweiterungen mehr vergeben, und denen, die sich Ausschreitungen zuschulden kommen ließen, konfiszierte man sogar einzelne Beine; wie es heißt, wollte er alle Extremitäten und Organe liquidieren mit Ausnahme derer, die für das Leben unerläßlich waren. Außerdem beabsichtigte er, eine Mikrominiaturisierung einzuführen, denn es wurden immer kleinere Wohnungen gebaut, aber Bghis Gwarndl, der nach Ischiolis die Macht übernahm, annullierte diese Direktiven und ließ sogar den Schwanz wieder zu unter dem Vorwand, man könne mit seiner Quaste die Wohnung fegen. Später, unter Gondl Gurwa, kamen die sogenannten unteren Abweichler in Mode, die ihre Extremitäten gesetzwidrig vermehrten, und in der nächsten Phase, in der die Herrschaft strenger wurde, tauchten Zungennägel und andere provozierende Organellen auf, oder vielmehr, sie wurden versteckt. Schwankungen dieser Art dauerten noch an, als ich nach Dychthonien kam. Was sich durchaus nicht körperlich verwirklichen ließ, das drückte die sogenannte pornographische Literatur der Biotik aus, ein illegales Schrifttum, das zu den verbotenen Werken gehörte, von denen die Klosterbibliothek Unmengen enthielt. Ich blätterte zum Beispiel ein Manifest durch, das zu dem sogenannten Maider aufforderte, der auf den Haaren gehen sollte, und die Frucht eines anderen anonymen Autors, der Diskanter, sollte nach dem Prinzip eines Luftkissens über dem Boden dahinschweben.
Nachdem ich auf diese Weise die Geschichte des Planeten in groben Zügen kennengelernt hatte, machte ich mich mit der laufenden wissenschaftlichen Literatur vertraut. Das wichtigste Projektierungs- und Forschungsorgan war zur Zeit die Kommission zur Abstimmung der Körperlich-Psychischen Projekte (KAKÖPSYP). Dank der Zuvorkommenheit des Bibliothekspaters lernte ich die jüngsten Arbeiten dieses Organs kennen. So war zum Beispiel Körper-Ing. Dergard Wnich der Autor eines Prototyps, der den vorläufigen Namen Polymon oder Allbereiter trug. Prof. Dr.-Ing. Magister Dband Rabor stand einem großen Gremium vor, das an dem kühnen und umstrittenen Projekt des sogenannten Polyrobs arbeitete, der eine funktionelle Verbindung des Weges in drei Dimensionen sein sollte: des kommunikativen Weges, des geschlechtlichen Weges und des Weges
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