Sterntagebücher
werden? Es gilt, alle Kräfte einzusetzen und unbeirrt in tiefster Demut des Herzens zu streben – will man diesen Weg beschreiten…‹
›Du willst also Heiliger werden?‹ vergewisserte sich der Memnoge noch einmal und blickte ermunternd zu seinen Gefährten hinüber, die sich halb von ihren Plätzen erhoben hatten.
›Ei gewiß, mein Sohn.‹
›Nun, so wollen wir dir dabei behilflich sein!‹
›Wie das, ihr lieben Schäflein?‹ fragte Pater Oribas lächelnd, denn der kindliche Eifer seiner ihm treu ergebenen Herde freute ihn sehr.
Darauf faßten ihn die Memnogen sanft, aber entschieden unter die Arme und sagten: ›Also, teurer Pater, wie Ihr uns gelehrt!‹
Wonach sie ihm zunächst die Haut vom Rücken rissen und diese Stelle mit Pech einsalbten, wie das der Henker Irlands dem heiligen Hyazinth angetan hatte. Dann hackten sie ihm das linke Bein ab, wie die Heiden mit dem heiligen Pafnuzius verfahren sind, schlitzten ihm den Bauch auf und steckten einen Strohwisch hinein, wie das mit der seliggesprochenen Elisabeth von der Normandie geschah; darauf pfählten sie ihn wie die Emalkiten den heiligen Hugo, brachen ihm alle Rippen wie die Syrakuser dem heiligen Heinrich von Padua und verbrannten ihn bei kleiner Flamme, wie die Burgunder die Jungfrau von Orleans. Sodann verschnauften sie, wuschen sich die Hände und vergossen bittere Tränen um ihren verlorenen Hirten. Bei diesem Tun traf ich sie an – ich bereiste damals gerade alle Gestirne der Diözese, und so führte mich mein Weg auch in ihre Pfarrgemeinde. Als ich vernahm, was geschehen war, standen mir die Haare zu Berge. Händeringend schrie ich: ›Nichtswürdige Verbrecher! Die Hölle ist noch viel zu gut für euch! Wißt ihr denn überhaupt, daß ihr damit eure Seelen der ewigen Verdammnis ausgeliefert habt?‹
›Ja freilich!‹ erwiderten sie schluchzend.
Der große Memnoge stand auf und richtete an mich die Worte: ›Ehrwürdiger Vater, wir waren uns sehr wohl im klaren, daß wir bis zum Jüngsten Tag verdammt sein werden und ewige Qualen erdulden müssen, ehe wir uns zu diesem Entschluß durchringen konnten; doch Pater Oribas predigte unablässig, es gäbe nichts, was ein guter Christ nicht für seinen Nächsten täte, man müsse alles opfern und zu allem bereit sein. So verzichteten wir denn in tiefster Verzweiflung auf unsere eigene Erlösung, einzig darauf bedacht, daß unser über alles geliebter Pater Oribas die Märtyrerkrone und den Heiligenschein erlangen solle. Ich vermag es nicht zu schildern, wie schwer uns das gefallen ist; bevor nämlich der Pater zu uns kam, konnte keiner von uns auch nur einer Fliege etwas zuleide tun. Wir erneuerten also unser Flehen, baten ihn händeringend, doch Nachsicht mit uns zu üben und die Strenge der Gebote ein wenig zu mildern, er jedoch behauptete kategorisch, aus Liebe zu seinem Nächsten müsse man alles tun, ohne jede Ausnahme. Und wir waren nicht imstande, es ihm abzuschlagen. Uns war klar: Vor diesem frommen Manne bedeuteten wir unwürdigen Geschöpfe nichts. Er hatte ein Recht auf unsere Entsagung. Wir glauben zuversichtlich, daß die Unternehmung geglückt ist und Pater Oribas nunmehr im Himmel herrscht. Hiermit überreichen wir dir, Hochwürden, einen Sack Geldes, das für die Kanonisation gesammelt wurde, denn so lautet die Vorschrift, wie es Pater Oribas auf unsere Fragen hin erläuterte. Ich muß sagen, daß wir nur seine Lieblingstorturen angewandt haben, von denen er uns stets in höchster Verzückung predigte. Wir nahmen also an, sie würden ihm willkommen sein, er jedoch sträubte sich, und besonders heftigen Widerwillen äußerte er, als er siedendes Blei hinunterschlingen sollte. Aber wir verwarfen den Gedanken, dieser Priester könnte etwas gepredigt haben, worüber er selbst ganz anders dachte. Sein Schreien war lediglich der Beweis für die Unzufriedenheit der niederen, körperlichen Teilchen seines Wesens, und wir überhörten es daher im Sinne der Lehre, daß der Leib erniedrigt werden müsse, damit der Geist um so höher steige. In dem Bemühen, ihm Halt zu geben, riefen wir ihm die Grundsätze ins Gedächtnis, die er verkündet hatte, worauf uns Pater Oribas nur ein einziges Wort entgegnete, das uns völlig unverständlich ist; wir können uns nicht vorstellen, was es bedeutet, denn wir fanden es weder in den Gebetbüchern noch in der Heiligen Schrift.‹«
Als Pater Lazimon geendet hatte, wischte er sich die Schweißperlen von der
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