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Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Millimeter Quecksilbersäule betrage.
      Diese erschöpfende Antwort fand die allgemeine Anerkennung der Kommission. Ich indes saß völlig niedergeschmettert da, und erst als der Prüfer die nächste Frage vortrug, rief ich: »Verzeiht, würdige Andrigonen, aber… ich komme ja gerade von der Erde; und ihr werdet doch gewiß nicht bezweifeln, daß ich lebe. Ihr habt ja auch gehört, wie man mich hier vorgestellt hat…«
      Verlegenes Schweigen. Die Lehrer waren durch mein taktloses Auftreten betroffen und hielten sich nur mit Mühe zurück; die Jugend, die ihre Gefühle noch nicht so gut verbergen kann, musterte mich mit unverkennbarem Widerwillen.
      Schließlich sagte der Prüfer eisig: »Verzeih, Fremder, aber überforderst du nicht unsere Gastfreundschaft? Genügen dir noch nicht der feierliche Empfang, die Festlichkeiten und die Beweise unserer Hochachtung? Haben wir dich durch Zulassung zur Hohen Nährte des Abituriums nicht zufriedengestellt, daß du noch mehr willst und von uns verlangst, allein deinetwegen das… Schulprogramm umzustoßen?«
      »Aber… die Erde ist doch tatsächlich bewohnt…«, murmelte ich verwirrt.
      »Wäre es an dem«, entgegnete der Prüfer und schaute mich an, als wäre ich aus Glas, »so bedeutete das nur eine Entartung der Natur.«
      Da ich das als Beleidigung meiner Mutter Erde auffaßte, verließ ich grußlos den Saal, stieg auf die erste Schlunke, die mir in den Weg kam, und ritt zum Flugplatz. So schüttelte ich den Staub der Andrigona von meinen Füßen und startete, um weiter nach meinem Taschenmesser zu forschen.
      Auf diese Weise landete ich nacheinander auf fünf Planeten der Lindenbladgruppe, auf den Gestirnen der Stereopropen und Melazianer, auf sieben großen Körpern aus der Planetenfamilie der Kassiopeiasonne, besuchte Osterilien, Averanzien, Meltonien, Laternis, sämtliche Arme des großen Andromedanebels, die Systeme des Plesiomachos, des Gastroklantius, der Eutrema, der Symenophora und der Paralbyda; im darauffolgenden Jahr durchsuchte ich systematisch die nähere Umgebung aller Sterne der Sappo und der Melenwaga sowie die Himmelskugeln Erytrodonien, Arrhenois, Äodozien, Artenurien sowie den Stroglon mit seinen achtzig Monden, von denen manche so klein sind, daß kaum eine Rakete Platz darauf hätte; auf dem Kleinen Bären konnte ich nicht landen, weil dort gerade Inventur gemacht wurde; dann kamen die Cepheiden und Ardeniden an die Reihe; der Verzweiflung nahe, landete ich durch einen Irrtum noch einmal auf dem Lindenblad. Doch ich gab die Hoffnung nicht auf und suchte weiter, wie es einem echten Forscher ansteht. Nach drei Wochen entdeckte ich einen Planeten, der jener denkwürdigen Satellina täuschend ähnlich sah; mein Herz schlug höher, als ich ihn auf einer immer engeren Spirale umkreiste; aber vergebens forschte ich nach jenem Flugplatz. Schon wollte ich in den Weltenraum zurück, da bemerkte ich, daß mir da unten eine kleine Gestalt Zeichen gab. Ich schaltete den Antrieb aus, glitt schnell abwärts und setzte mein Gefährt in der Nähe einer malerischen Felsengruppe auf, die von einem ansehnlichen Bau aus behauenem Stein überragt wurde. Zu meiner Begrüßung kam ein rüstiger Greis in weißem Dominikanerhabitus herbeigeeilt. Es war, wie sich herausstellte, Pater Lazimon, der Chef aller Missionen, die auf den angrenzenden Sternbildern im Umkreis von 600 Lichtjahren wirkten. Die Gegend zählte etwa fünf Millionen Planeten, darunter 2400.000 bewohnte. Als Pater Lazimon von dem Mißgeschick erfuhr, das mich in seine Gefilde verschlagen hatte, drückte er mir sein Mitleid aus, zugleich aber auch seine Freude, denn ich war, wie er sagte, der erste Mensch, den er seit sieben Monaten zu Gesicht bekam.
      »Ich habe mich bereits so an die Bräuche der Meodraziten – der Bewohner dieses Planeten – gewöhnt, daß ich mich oft bei einer merkwürdigen Fehlreaktion ertappe: Wenn ich aufmerksam zuhören will, hebe ich die Arme wie sie…« Die Meodraziten haben bekanntlich die Ohren in den Achselhöhlen.
      Pater Lazimon zeigte sich sehr gastfreundlich und lud mich zum Mittagessen ein, das aus örtlichen Speisen zusammengestellt war (glabbrige Bisquäppchen in Wacklaise, geschichtete Trümmer und zum Nachtisch Rührlinge – ein lang entbehrter Genuß); danach gingen wir auf die Veranda des Missionshauses. Die lila Sonne sandte ihre warmen Strahlen, die Pterodaktylen, von denen es auf dem Planeten nur so wimmelte, zwitscherten im

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