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Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Stirn, Wir saßen und redeten nicht; schließlich brach der greise Dominikaner die Stille: »Nun sagen Sie mir, wie kann man unter solchen Umständen Seelenhirt sein? Oder was soll man mit dieser Geschichte anfangen?« Pater Lazimon schlug mit der flachen Hand auf einen Brief, der vor ihm ausgebreitet lag. »Pater Hippolyt berichtet von der Arpetusa, einem kleinen Planeten in der Waage, daß dessen Bewohner aufgehört hätten, Ehen zu schließen; sie zeugen keine Kinder mehr, und so droht die Gefahr, daß sie restlos aussterben.«
      »Wieso denn das?« fragte ich verblüfft.
      »Nun, da sie hörten, fleischlicher Verkehr wäre Sünde, verlangte es sie so heftig nach Erlösung, daß sie allesamt die Gelübde ablegten und das Zölibat einhalten! Seit zwei Jahrtausenden verkündet die Kirche den Vorrang der Seelenrettung vor den zeitlichen Dingen, aber niemand hat das wörtlich genommen, so wahr mir Gott helfe! Nun kommen die Arpetusaner und fühlen wie ein Mann in sich die Berufung, treten massenhaft in die Klöster ein, befolgen musterhaft die Regeln, beten, fasten und kasteien sich, während Industrie und Landwirtschaft darniederliegen, Hungersnöte den Planeten heimsuchen und die Bevölkerung auszusterben droht. Ich habe nach Rom Bericht erstattet, aber wie gewöhnlich ist die Antwort Schweigen…«
      »Es ist ja auch sehr riskant«, bemerkte ich, »die Religion auf andere Planeten zu tragen…«
      »Was sollten wir tun? Die Kirche hat es bekanntlich nicht eilig, Ecclesia non festinat, denn Sein Königreich ist nicht von dieser Welt, aber während das Kardinalskollegium beratschlagte und zauderte, schossen auf den Planeten Missionen der Kalvinisten, Baptisten, Redemptoristen, Mariaviten, Adventisten und wie sie sonst noch heißen aus dem Boden wie Pilze nach dem Regen. Wir mußten also retten, was zu retten war. Nun, mein Wertester, wenn ich das alles schon erzählt habe… so kommen Sie mal mit.«
      Pater Lazimon führte mich in sein Arbeitszimmer. Die riesige blaue Karte des Sternenhimmels nahm hier eine ganze Wand ein, die rechte Hälfte war mit Papier überklebt.
      »Schauen Sie!« Er wies auf den verdeckten Teil.
      »Was bedeutet das?«
      »Den Untergang, mein Lieber. Den endgültigen Untergang. Diese Gebiete sind von Völkern bewohnt, deren Intelligenz auf unerhört hoher Stufe steht. Sie propagieren den Materialismus und den Atheismus und empfehlen, alle Anstrengungen auf die Entfaltung der Wissenschaft und Technik sowie die Vervollkommnung der Lebensbedingungen auf den Planeten zu richten. Wir sandten unsere klügsten Missionare zu ihnen aus, Salesianerpater, Benediktiner, Dominikaner, ja selbst Jesuiten, alles begnadete Verkünder von Gottes Wort, mit honigsüßer Beredsamkeit ausgestattet; und alle kehrten sie zurück als Atheisten!«
      Pater Lazimon trat erregt an den Tisch heran.
      »Wir hatten da einen Pater Bonifazius bei uns, ich habe ihn als einen sehr frommen Mönch in Erinnerung; Tag und Nacht verbrachte er im Gebet, auf dem Kreuze liegend. Staub war für ihn alles Weltliche, er kannte keine andere Beschäftigung als den Rosenkranz herzusagen, und nichts bereitete ihm mehr Freude als die Messe, doch schon nach dreiwöchigem Aufenthalt dort« – Pater Lazimon wies auf den überklebten Teil der Himmelskarte – »nahm er das Studium an einem Polytechnikum auf und verfaßte dieses Buch!« Pater Lazimon nahm einen dicken Band vom Tisch und warf ihn gleich angewidert zurück. Ich las den Titel: »Über neue Methoden der Erhöhung der Flugsicherheit von Raketen.«
      »Die Sicherheit des armseligen Leibes der Sicherung der Seele vorzuziehen! Ist das nicht ungeheuerlich? Wir schickten alarmierende Berichte, und diesmal zauderte der Apostolische Stuhl nicht. Unter Mitarbeit von Experten der amerikanischen Botschaft zu Rom gab die Päpstliche Akademie diese Werke heraus.« Pater Lazimon schritt auf eine große Kiste zu und hob den Deckel: lauter Folianten im Quartformat.
      »Hier liegen etwa zweihundert Bücher, die mit größter Genauigkeit die Methoden der Gewalt, des Terrors, der Suggestion, der Erpressung, des Zwanges, der Hypnose, der Giftmischerei, der Torturen und der bedingten Reflexe abhandeln, wie sie jene zur Unterdrückung des Glaubens benutzen. Die Haare standen mir zu Berge, als ich das durchblätterte. Da sind Fotos, Geständnisse, Protokolle, Beweismittel, Berichte von Augenzeugen und Gott weiß was noch alles. Ich frage mich, wie haben die das nur so

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