Sterntagebücher
schnell gemacht? Was heißt das doch: amerikanische Technik! Aber mein Wertester… die Wirklichkeit ist viel, viel schrecklicher!«
Pater Lazimon trat dicht an mich heran und flüsterte mir ins Ohr: »Ich bin hier an Ort und Stelle und muß es folglich am besten wissen… lieber Mann. Die hier quälen nicht, zwingen keinen, sie foltern nicht und drehen auch keine Schrauben in den Kopf, sie lehren einfach nur, was das Universum ist, wo das Leben herkommt, wie das Bewußtsein entsteht und wie man die Wissenschaft zum Nutzen der Allgemeinheit anzuwenden hat. Sie können beweisen, daß die ganze Welt – so wie zwei mal zwei gleich vier – ausschließlich von materieller Beschaffenheit ist. Von allen meinen Missionaren hat nur einer den Glauben bewahrt, Pater Servazius, und das allein, weil er taub ist wie eine Nuß und gar nicht hören konnte, was zu ihm gesprochen wurde! Ja, das ist schlimmer als alle Foltern, mein Teurer! Ich hatte hier eine junge Nonne, Karmeliterin, ein durchgeistigtes Kind, nur dem Himmel ergeben; sie fastete ununterbrochen, kasteite sich, bekam die Wundmale und auch Visionen, verkehrte mit Heiligen. Sie hatte die heilige Melanie besonders liebgewonnen und wählte sie sich zum Vorbild; mehr noch, von Zeit zu Zeit zeigte sich ihr sogar der Erzengel Gabriel… Eines Tages machte sie sich auf die Reise dorthin.« Pater Lazimon deutete auf die rechte Hälfte der Karte. »Ich erlaubte ihr das mit ruhigem Gewissen, denn sie war arm an Geist, und solchen gehört ja das Reich Gottes; wenn ein Mensch erst anfängt zu überlegen; wie, was, woher, dann tun sich gleich die Abgründe der Ketzerei auf. Ich war sicher, daß die Argumente von der Weisheit jener bei ihr nicht einschlagen würden; doch kaum war sie dort eingetroffen, da wurde sie nach ihrer ersten Schauvision in religiöser Ekstase für neurotisch erklärt oder wie das sonst heißen mag; man behandelte sie mit Bädern, beschäftigte sie im Garten, gab ihr Puppen und anderes Spielzeug. Nach vier Monaten kam sie zurück – aber in welchem Zustand!«
Pater Lazimon zitterte.
»Was war denn mit ihr geschehen?« fragte ich mitleidig.
»Sie hatte keine Visionen mehr, besuchte einen Lehrgang für Raketenpiloten und ist nun mit einer Forschungsexpedition zum Kern der Milchstraße abgeflogen, das arme Kind! Unlängst hörte ich, im Traum sei ihr die heilige Melanie erschienen, und mein Herz schlug ob dieser freudigen Botschaft, aber es stellte sich heraus, daß sie nur von ihrer Tante geträumt hatte. Ich sage Ihnen: Das ist der Ruin, der Untergang. Wie naiv sind doch die amerikanischen Experten; sie kündigen mir weitere fünf Tonnen Bücher und sonstige Literatur über die Grausamkeiten unserer Feinde wider den Glauben an. Ja, wenn diese die Religion verfolgten, wenn sie die Kirchen schlössen und die Gläubigen auseinanderjagten, doch das tun sie ja leider nicht. Sie lassen alles zu: den Gottesdienst und die geistlichen Lehranstalten, nur daß sie auch ihre eigenen Theorien und Beweise verbreiten. Eine Zeitlang probierten wir diese Methode aus« – Pater Lazimon deutete auf die Karte –, »aber ohne Erfolg.«
»Verzeihung, welche Methode?«
»Na, wir klebten diesen Teil des Universums mit Papier zu und ignorierten seine Existenz, aber das half nicht. Gegenwärtig wird in Rom von einem Kreuzzug zum Schutze des Glaubens gesprochen.«
»Und was halten Sie davon, Pater?«
»Nun, das wäre so übel nicht; wenn man ihre Planeten in die Luft sprengte, ihre Städte zerstörte, ihre Bücher verbrennte und sie selbst ausrottete, vielleicht gelänge es dann, die Lehre von der Nächstenliebe zu retten. Aber wer sollte diesen Kreuzzug führen? Die Memnogen? Oder die Arpetusaner etwa? Es ist einfach zum Lachen, wenn es nicht so traurig wäre!«
Ein drückendes Schweigen nistete sich ein. Von herzlichem Mitleid erfaßt, legte ich dem abgehärmten Priester die Hand auf die Schulter, um ihm mit dieser freundschaftlichen Geste Mut einzuflößen; in diesem Augenblick rutschte mir ein funkelnder Gegens tand aus dem Ärmel und polterte zu Boden. Wer vermag meine Überraschung zu schildern, als ich darin mein Taschenmesser erkannte. Es hatte die ganze Zeit unter dem Jackenfutter gesteckt, wo es durch ein kleines Loch in der Tasche hineingeraten war!
DREIUNDZWANZIGSTE REISE
In der »Kosmozoologie«, Professor Tarantogas berühmtem Werk, habe ich von einem Planeten gelesen, der um den Doppelstern Erpeya kreist und angeblich so klein
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