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Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Assistenten zur Seite stand, war die Regiermaschine fertig – da siehst du sie als kleinen dunklen Fleck am Horizont, Fremdling. Sie ist ein gigantischer Komplex von imposanten Eisenzylindern, in denen es unausgesetzt brodelt und glüht. Der Tag ihrer Inbetriebnahme wurde ein großer Staatsfeiertag, der älteste Erzspirit weihte sie feierlich ein, wonach ihr der Hohe Durinal die Staatsgewalt übertrug. In diesem Augenblick stieß der Freiwillige Propagator der Absoluten Ordnung einen schrillen Pfeifton aus und machte sich ans Werk.
      Sechs Tage lang arbeitete die Maschine ohne Pause, tags ballten sich über ihr die Rauchwolken, nachts glomm Feuerschein ringsum. Der Boden zitterte im Umkreis von hundertsechzig Meilen. Dann öffneten die Zylinder ihre Schlünde und gaben Scharen von kleinen schwarzen Automaten frei, die – wie Enten watschelnd – über den ganzen Planeten ausschwärmten und in die entlegensten Winkel drangen. Wo immer sie anlangten, sammelten sie sich vor den Fabriklagern und forderten liebenswürdig und leicht verständlich alle möglichen Waren, die sie unverzüglich bezahlten. Im Laufe einer Woche waren die Lager geleert, und die Erlauchten Fabrikbesitzer konnten erleichtert aufatmen: ›Fürwahr, eine vortreffliche Maschine hat uns der Konstrukteur da gebaut!‹ In der Tat, es war bewundernswert, wie jene Automaten die erworbenen Gegenstände zu nutzen wußten: Sie kleideten sich in Brokat und Atlas, salbten sich Achsen und Gelenke mit den ausgesuchtesten Kosmetika, rauchten Tabak, lasen Bücher, wobei sie über traurigen synthetische Tränen vergossen, ja, sie waren sogar imstande, die mannigfaltigsten Leckerbissen zu verschlingen – freilich nur zum Nutzen der Produzenten; selbst hatten sie nichts davon, denn sie wurden elektrisch angetrieben. Lediglich die Massen der Minderlinge zeigten nicht die geringste Begeisterung, im Gegenteil, ihr Murren wurde immer lauter. Die Erlauchten indes warteten voller Zuversicht, daß die Maschine weitere Schritte unternähme.
      Es dauerte auch nicht lange, da stapelte sie riesige Vorräte an Marmor, Alabaster, Granit, Bergkristallen sowie Kupferbarren, Säcke voll Gold, Silber und Jaspistafeln, und dann errichtete sie unter entsetzlichem Klappern und Qualmen ein Gebäude, wie es keines Indioten Auge je gesehen hatte – es ist das Regenbogenschloß hier vor dir, Fremder!«
      Ich schaute hin. Die Sonne blickte gerade hinter einer Wolke hervor, und ihre Strahlen spiegelten sich in den geschliffenen Wänden, die sie in saphirblaue und leuchtend rote Flammen spalteten; Regenbogenbänder schienen um die Erker und Bastionen zu flattern, und das Dach, von schlanken Türmchen verziert und ganz mit goldenen Schindeln gedeckt, brannte lichterloh. Ich genoß dieses herrliche Schauspiel in vollen Zügen, indes der Indiote mit seinem Bericht fortfuhr.
      »Die Kunde von diesem wundersamen Bauwerk verbreitete sich mit Windeseile über den ganzen Planeten. Ströme von Pilgern wallfahrten aus den fernsten Ländern herbei. Als die Massen unübersehbar den Anger füllten, klappte die Maschine ihre metallenen Lippen auf und sprach: ›Am ersten Tage des Monats Schäl chen werde ich das Jaspisportal des Regenbogenschlosses öffnen, und dann kann jeder Indiote, gleich, ob berühmt oder nicht, aus freien Stücken hineingehen und alles probieren, was seiner harrt. Bis zu diesem Zeitpunkt wollet jedoch freiwillig eure Neugier bezähmen, ebenso wie ihr sie dann freiwillig werdet stillen können.‹
      In der Tat, am ersten Schälchen ließen Fanfarenstöße die Luft erzittern, und das Schloßtor öffnete sich mit dumpfem Knall. Die Menge wälzte sich hinein in einem Strom, dreimal so breit wie die gepflasterte Straße, die unsere beiden Hauptstädte Debilia und Morona miteinander verbindet. Den lieben langen Tag ergossen sich Massen von Indioten ins Schloß, aber auf dem Anger wurden ihrer nicht weniger, denn immer neue zogen aus dem Lande heran. Die Maschine ließ sie von den schwarzen Automaten bewirten, die sich durchs Gedränge schlängelten, um erfrischende Getränke und nahrhafte Speisen herumzureichen. So liefen die Dinge etwa fünfzehn Tage. Tausende, Zehntausende, Millionen von Indioten strömten in das Regenbogenschloß, doch keiner kam je zurück.
      Dieser oder jener zwar wunderte sich, was das zu bedeuten habe und wie ganze Volksmassen so ohne weiteres verschwinden könnten, aber solche vereinzelten Stimmen gingen unter im Tongebraus der Marschmusik; die

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