Sterntagebücher
schon erscholl auf den Straßen das Trappeln der eisernen Automaten. Die Söhne ließen ihre Väter ins Schloß abführen, die Großväter die Enkel, der Bruder gab den Bruder preis, und so schmolzen in einer Nacht Tausende von Erlauchten und Spiriten zu dem kleinen Häuflein zusammen, das du, fremder Wanderer, hier vor dir siehst. Der Morgen erblickte Felder, die mit Myriaden von harmonisch gefügten Mustern aus glänzenden Scheiben be deckt waren, der letzten Spur unserer Schwestern, Frauen und Verwandten. Zu Mittag ließ die Maschine grollend ihre Stimme ertönen: ›Genug! Mäßiget vorerst euren Eifer, ihr Erlauchten und ihr letzten der Spiriten. Ich schließe die Tore des Schlosses – nicht für lange Zeit, das verspreche ich. Mir sind nämlich die Muster ausgegangen, die ich zur Verbreitung der Absoluten Ordnung präpariert hatte, ich muß mir erst neue überlegen, und dann könnt ihr weiter nach eurem freien, uneingeschränkten Willen verfahren.‹«
Bei diesen Worten sah mich der Indiote mit großen Augen an und schloß leise: »Das war vor zwei Tagen… Jetzt sind wir hier versammelt und warten…«
»O würdiger Indiote!« rief ich aus und glättete dabei meine Haare, die mir vor Entsetzen zu Berge standen. »Das ist ja eine furchtbare und kaum glaubhafte Geschichte! Sage mir doch um alles in der Welt, warum habt ihr euch nicht gegen dieses mechanische Ungeheuer aufgelehnt, das euch völlig ausgerottet hat, warum habt ihr euch zwingen lassen…«
Der Indiote fuhr hoch wie von der Tarantel gestochen. Seine Haltung drückte höchsten Zorn aus.
»Schmähe uns nicht, Wanderer!« schrie er. »Du redest leichtfertig, drum will ich dir verzeihen… Bedenke alles wohl, was ich dir erzählt habe, und du gelangst untrüglich zu der richtigen Schlußfolgerung, daß sich die Maschine an die Prinzipien der freien Initiative hält und dem Volk der Indioten, so seltsam es scheinen mag, einen guten Dienst erwiesen hat, denn es gibt keine Ungerechtigkeit dort, wo ein Gesetz existiert, das die höchste Freiheit kündet, und welcher Ehrenmann zöge die Beschränkung der Freiheiten dem Ruhm…«
Er konnte seinen Gedanken nicht zu Ende entwickeln, denn ein entsetzliches Kreischen wurde hörbar. Das Jaspisportal öffnete sich majestätisch. Dieser Anblick riß die Indioten von ihren Plätzen, und sie strebten eiligst die Treppe hinauf.
»Indiote! Indiote!« schrie ich, aber mein Gastfreund winkte mir nur noch einmal zu und rief: »Habe keine Zeit mehr!«, stürmte in Riesensätzen den anderen hinterdrein und war flugs im Schloß verschwunden.
Eine ganze Weile stand ich verloren da, bis ich eine Kolonne schwarzer Automaten erspähte, die an die Schloßmauer trippelten, die Klappe öffneten und eine lange Reihe herrlich in der Sonne blitzender Scheiben herausrollten. Sie trudelten sie aufs freie Feld, und dort gingen sie daran, die noch unvollendeten Muster durch Figuren zu ergänzen. Das Schloßportal stand noch immer offen. Ich trat einige Schritte näher heran, um einen Blick zu riskieren, aber schaudernd ließ ich es sein.
Die Maschine tat ihre metallenen Lippen auf und forderte mich auf einzutreten.
»Ich bin doch kein Indiot«, entgegnete ich, machte auf der Stelle kehrt und begab mich eilends zu meiner Rakete. Eine Minute später manövrierte ich bereits an den Steuerknüppeln, mit atemberaubender Geschwindigkeit himmelwärts klimmend.
FÜNFUNDZWANZIGSTE REISE
Eine der Hauptverkehrsadern für Raketen im Sternbild des Großen Bären verbindet die Planeten Mutria und Latris miteinander. Unterwegs umgeht sie Tairien, eine steinige Kugel, die bei den Reisenden den schlimmsten Ruf genießt, und zwar wegen der Schwärme von Felsblöcken, die sie umkreisen. Diese Gegend bietet ein Bild des Chaos und des Schreckens, die Scheibe des Planeten ist nur mit Mühe und Not durch die Steinwolken hindurch zu erkennen, wo es unausgesetzt blitzt und brodelt von zusammenrasselndem Gestein.
Einige Jahre ist es her, da tauchten unter den Piloten, die zwischen der Mutria und der Latris kursieren, Berichte von scheußlichen Gebilden auf, die unvermittelt aus den Staubwolken um Tairien hervorschießen, die Raketen überfallen, sie mit ihren langen Fühlern umspannen und in ihre finsteren Gelege hinabzuziehen suchen. Anfangs kamen die Passagiere mit einem kleinen Schrecken davon. Etwas später aber verbreitete sich die Nachricht, daß jene Dinger einen Reisenden angefallen hätten, der im
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