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Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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unter den Tisch. Danach kam der Plan auf, man solle die Erlauchten, die Eigentümer der Fabriken, davon abbringen, weiter Neue Maschinen zu produzieren; der Durinal setzte zu diesem Behufe eine gemischte Kommission ein, aber weder ihre Bitten noch ihr Flehen zeitigten einen Erfolg. Jene entgegneten nämlich, daß die Neuen Maschinen billiger und schneller arbeiteten als die Minderlinge und es ihr Lieblingswunsch sei, auf diese Weise zu produzieren. Der Hohe Durinal tagte weiter. Ein Gesetzentwurf lag vor, der eine geringe Beteiligung der Minderlinge an den Einnahmen des Fabrikbesitzers vorsah, doch auch diese Novelle wurde verworfen, denn eine solche Gratiszuteilung von Existenzmitteln hätte – wie der Erzspirit Nolab mit Recht betonte – die Seelen der Minderlinge demoralisiert und erniedrigt. Mittlerweile wurden die Warenberge höher und höher, bis sie zu guter Letzt über die Fabrikmauern hinauswuchsen, während sich die hungerleidenden Minderlinge davor zusammenrotteten und Drohungen ausstießen. Vergebens suchten ihnen die Spiriten geduldig klarzumachen, daß sie damit gegen die Staatsgesetze verstießen und sich erdreisteten, Indas unerforschlichen Fügungen Widerstand zu leisten, sie sollten lieber ihr Los in Demut tragen, denn durch Abtötung des Fleisches würden sich ihre Seelen in unermeßliche Höhen emporschwingen, und der himmlische Lohn wäre ihnen gewiß. Die Minderlinge jedoch stellten sich taub gegen die weisen Worte, und so mußten zur Bändigung ihrer bösen Triebe bewaffnete Hüter eingesetzt werden.
      Da berief der Hohe Durinal den gelehrten Erfinder der Neuen Maschinen vor sein Angesicht und richtete folgende Worte an ihn: ›Gelehrter Mann! Unserem Staatswesen droht höchste Gefahr, denn unter den Massen der Minderlinge werden aufrührerische, verbrecherische Gedanken verbreitet. Sie sollen unsere herrlichen Freiheiten untergraben und das Prinzip der freien Initiative zunichte machen! Wir müssen alle unsere Kräfte zum Schutze der Freiheit aufbieten. Nach reiflicher Erwägung sämtlicher Faktoren sind wir zu der Überzeugung gelangt, daß wir diesem Problem nicht gewachsen sind. Selbst der tugendhafteste und vollkommenste Indiote läßt sich von Gefühlen leiten, schwankt gelegentlich und neigt zu Irrtümern; er kann es daher nicht wagen, in einer so komplizierten und zugleich so bedeutsamen Angelegenheit zu entscheiden. Aus diesem Grunde sollst du uns innerhalb von sechs Monaten eine Maschine zum Regieren bauen, die präzis und streng logisch, völlig objektiv argumentiert und keinen Schwankungen, Emotionen oder Ängsten ausgesetzt ist, wie sie gemeinhin die Tätigkeit des belebten Verstandes so stark beeinträchtigen. Wir verlangen von dir eine Maschine, die so unparteiisch ist wie das Licht der Sonne und der Sterne. Wenn du sie gebaut und in Gang gesetzt hast, wollen wir ihr die Staatsgeschäfte aufbürden, denn für unsere abgekämpften Rücken ist die Last zu schwer.‹
      ›So sei es, Hoher Durinal‹, sagte der Konstrukteur, ›doch welches soll das grundlegende Arbeitsprinzip der Maschine sein?‹
      ›Selbstverständlich das Prinzip der freien staatsbürgerlichen Initiative. Die Maschine darf den Bürgern weder gebieten noch verbieten; gewiß, sie kann unsere Daseinsbedingungen ändern, aber das muß stets in Form von Vorschlägen geschehen, indem sie uns Möglichkeiten präsentiert, unter denen wir nach Belieben wählen können.‹
      ›So soll es geschehen, Hoher Durinal‹, erwiderte der Konstrukteur, ›doch dieses Gebot betrifft hauptsächlich die Arbeitsmethoden, ich aber frage nach dem Endzweck. Wonach soll die Maschine streben?‹
      ›Chaos droht unserem Staat, Verwirrung und Mißachtung der Gesetze greifen um sich. Aufgabe der Maschine ist es, die höchste Harmonie auf dem Planeten einzuführen und eine vollkommene und absolute Ordnung zu gewährleisten.‹
      ›Es sei, wie ihr befehlt!‹ entgegnete der Erfinder. ›In sechs Monaten baue ich euch den Freiwilligen Propagator der Absoluten Ordnung. Lebt wohl! Ich schreite nun zur Tat…‹
      ›Einen Augenblick noch!‹ rief einer von den Erlauchten, ›Die Maschine, die du zu konstruieren hast, soll nicht nur vollendet, sondern auch angenehm arbeiten, das heißt, ihre Produkte müssen wohltuend wirken und selbst das verwöhnte ästhetische Empfinden befriedigen…‹
      Der Erfinder verneigte sich stumm und entfernte sich. Nach angestrengter Arbeit, bei der ihm ein ganzer Schwarm intelligenter

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