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Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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mager… Eure Bewegungen sind chaotisch, ihr bleibt unmotiviert stehen, gafft Blumen oder Wolken an, treibt euch ziellos in den Wäldern umher! In dem Ganzen steckt nicht für einen Groschen mathematische Harmonie! Ich, der Freiwillige Propagator der Absoluten Ordnung, mache aus euren schwanken, kraftlosen Leibern solide, schöne, dauerhafte Gestalten, aus denen ich dann symmetrische, fürs Auge angenehme Muster und Formen von unvergleichlichem Ebenmaß zusammenstelle, um auf dem Planeten so die Elemente vollendeter Harmonie einzuführen…‹
      ›Du Ungeheuer!‹ schrien Spiriten und Erlauchte. ›Du wagst es, uns ins Verderben zu stürzen! Du trittst unsere Gesetze mit Füßen, rottest uns aus, tötest uns!‹
      Die Maschine knirschte nur geringschätzig und antwortete: ›Ich habe ja gesagt, daß ihr nicht einmal imstande seid, logisch zu denken. Natürlich achte ich eure Gesetze und Freiheiten. Ich schaffe Ordnung, ohne Zwang auszuüben oder Gewalt anzuwenden. Wer nicht wollte, hat das Regenbogenschloß ja nicht betreten; jeden aber, der es betreten hat – und ich wiederhole: Er hat es aus Privatinitiative getan –, habe ich verwandelt und dabei die Materie seines Körpers so vortrefflich umgeformt, daß er in seiner neuen Gestalt Äonen überdauern wird. Dafür kann ich mich verbürgen.‹
      Eine Zeitlang herrschte Schweigen. Dann gelangte der Durinal in einer Flüsterberatung zu dem Schluß, daß die Gesetze tatsächlich nicht übertreten worden seien und die Sache so übel nicht sei, wie es zunächst schien. ›Wir hätten ein solches Verbrechen niemals begangen‹, meinten die Erlauchten, ›aber die Maschine trägt ja die Verantwortung dafür. Sie hat Unmassen von Minderlingen verschlungen, die zu allem bereit waren; jetzt aber können wir überlebenden Erlauchten uns im Verein mit den Spiriten eines ewigen Friedens erfreuen und die unerforschlichen Fügungen des Großen Inda lobpreisen. Und um das Regenbogenschloß‹, sagten sie, ›werden wir einen weiten Bogen schlagen, dann kann uns nichts geschehen.‹
      Schon wollten sie auseinandergehen, da ließ sich die Maschine von neuem vernehmen: ›Merkt euch, was ich euch jetzt sagen werde. Ich muß das begonnene Werk zu Ende führen. Aber ich habe nicht die Absicht, einen von euch zu irgendwelchen Handlungen zu nötigen, zu überreden oder zu verleiten; die uneingeschränkte Freiheit der privaten Initiative bleibt euch weiter überlassen; doch ich will euch nicht verhehlen, daß jeder, der seinen Nachbarn, seinen Bruder, seinen Bekannten oder einen anderen Nahestehenden auf die Stufe der Kreisförmigen Harmonie erhoben zu sehen wünscht, nur die schwarzen Automaten herbeizurufen braucht. Sie erscheinen unverzüglich und führen den Betreffenden auf seinen Befehl zum Regenbogenschloß. So, das wäre alles.‹
      Stille trat ein. Erlauchte und Spiriten beäugten einander ängstlich in jäh erwachtem Mißtrauen. Da ergriff der Erzspirit Nolab das Wort – die Stimme zitterte ihm vor Erregung – und suchte der Maschine klarzumachen, daß es ein fürchterlicher Irrtum sei, zu glauben, sie müsse alle zu glänzenden Fladen verarbeiten, um damit die Äcker zu bestreuen; das dürfe nur geschehen, wenn der Wille des Großen Inda es gebiete. Um diesen jedoch zu erkennen und zu deuten, brauchte es viel Zeit. Und er schlug der Maschine vor, ihr Vorhaben um siebzig Jahre zu verschieben.
      ›Unmöglich‹, erwiderte die Maschine, ›ich habe schon den genauen Arbeitsplan für die Zeit entworfen, da der letzte Indiote umgewandelt sein wird; seid gewiß, ich werde dem Planeten das herrlichste Los bereiten, das vorstellbar ist: ein Dasein ohne Harmonie, die, wie ich meine, auch deinem Inda gefallen würde, den ich leider nicht näher kenne. Könntet ihr ihn nicht auch in mein Regenbogenschloß bringen?‹
      Sie stockte, denn der Anger war gähnend leer. Erlauchte und Spiriten hatten sich in ihre Häuser verkrochen, wo sich ein jeder in den eigenen vier Wänden Meditationen über sein künftiges Schicksal hingab. Und je länger er überlegte, desto größer wurde sein Entsetzen: Jeder einzelne fürchtete nämlich, sein Nachbar oder irgendein Bekannter, der ihm nicht wohlgesonnen sei, werde die Automaten auf ihn hetzen, und er sah keine andere Rettung, als jenem anderen zuvorzukommen. So störte bald Geschrei die nächtliche Stille. Mit angstverzerrten Gesichtern rissen die Erlauchten die Fenster auf und stießen verzweifelte Rufe in die Finsternis, und

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