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Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Automaten flitzten, tränkten die Dürstenden und speisten die Hungrigen, die silbernen Uhren an den Türmen des Schlosses schnurrten ihr Glöckchenspiel, und wenn die Nacht hereinbrach, funkelten die Kristallfenster im strahlenden Lampenschein. Endlich lichteten sich die Reihen der wartenden Massen; nur noch wenige hundert Personen harrten geduldig auf der Marmortreppe, daß auch sie eingelassen würden. Da erscholl plötzlich ein Entsetzensschrei, der selbst die rhythmischen Trommelwirbel übertönte. ›Verrat! Hört alle her! Der Palast ist kein Wunderding, sondern eine teuflische Falle! Rette sich, wer kann! Verderben! Verderben!‹
      ›Verderben!‹ rief die Menge von der Treppe, machte auf der Stelle kehrt und stob auseinander. Niemand behinderte ihre Flucht.
      In der folgenden Nacht schlichen sich ein paar Minderlinge vors Schloß. Als sie zurückkehrten, berichteten sie, die hintere Palastwand hätte sich leise geöffnet, und ungezählte Stöße glänzender Scheiben seien herausgefallen. Die schwarzen Automaten hätten sich darüber hergemacht und sie auf die Felder geschafft, um sie dort in verschiedenen Mustern und Figuren anzuordnen.
      Als die Spiriten und Erlauchten, die früher im Durinal gesessen hatten, das hörten – sie waren nicht zum Schloß gegangen, da sie es für unschicklich hielten, sich unter den Straßenmob zu mischen –, beriefen sie sogleich eine Versammlung ein und ließen den gelehrten Konstrukteur holen, damit er das Rätsel löse. Statt seiner erschien jedoch sein Sohn, der mit mürrischer Miene eine ziemlich große durchsichtige Scheibe vor sich herrollte.
      Die Erlauchten, die vor Ungeduld und Empörung schäumten, schmähten den abwesenden Gelehrten und bedachten ihn mit den schwersten Beschimpfungen. Nun überhäuften sie den Jüngling mit Fragen und verlangten eine Erklärung, welches Geheimnis das Regenbogenschloß berge und was die Maschine mit den eingekehrten Indioten getan habe.
      ›Untersteht euch, das Andenken meines Erzeugers zu beschmutzen!‹ antwortete der Jüngling entrüstet. ›Er hat die Maschine genau nach euren Bedürfnissen und Vorschriften konstruiert; als er sie aber in Gang setzte, wußte er ebensowenig wie wir, wie sie reagieren würde – der beste Beweis dafür ist, daß er das Regenbogenschloß als einer der ersten betreten hat.‹
      ›Und wo steckt er jetzt?‹ schrie der Durinal wie ein Mann.
      ›Hier‹, erwiderte der Jüngling betrübt und wies auf die glänzende Scheibe. Dann sah er die Greise trotzig an und entfernte sich ungehindert, wobei er den verwandelten Vater vor sich herrollte.
      Die Mitglieder des Durinals bebten vor Zorn und Angst; doch schließlich kamen sie zu der Überzeugung, daß die Maschine wohl nicht wagen würde, ihnen Böses zu tun. Also stimmten sie die Hymne der Indioten an und zogen, im Geiste gefestigt, gemeinsam vor die Stadt, wo sie sich vor dem Geschöpf aus Eisen aufbauten.
      ›Ruchlose‹, rief der Älteste der Erlauchten aus, ›du hast uns hintergangen und unsere Gesetze mit Füßen getreten! Lege sofort deine Kessel und Schrauben still! Wage nicht, weiter in dieser ungesetzlichen Weise zu verfahren! Sprich, was hast du mit dem Volk der Indioten getan, die wir dir anvertraut haben?‹
      Kaum hatte er geendet, da schaltete die Maschine ihr Triebwerk aus. Der Qualm zerflatterte am Himmel, es wurde still; dann öffneten sich die metallenen Lippen, und eine Donnerstimme dröhnte: ›Erlauchte und Spiriten! Ich, Herrscher über die Indioten, von euch selbst ins Leben gerufen, muß euch sagen, daß mich euer liederliches Denken und die Unvernunft eurer Vorwürfe sehr verdrießen! Anfangs habt ihr verlangt, daß ich Ordnung schaffe, und wenn ich dann zur Tat schreite, erschwert ihr mir die Arbeit! Drei Tage schon steht das Schloß leer; völliger Stillstand ist eingetreten, und keiner kommt mehr vor das Jaspisportal. Das ist Sabotage an meinem Werk. Ich versichere euch jedoch, daß ich nicht ruhen werde, bevor es vollbracht ist!‹
      Bei diesen Worten erzitterte der ganze Durinal wie ein Mann und rief: ›Von solcher Ordnung sprichst du, Ruchlose! Was hast du im Widerspruch zu den Landesgesetzen mit unseren Brüdern und unseren Nächsten getan?‹
      ›Was für eine dumme Frage!‹ entgegnete die Maschine. ›Welche Ordnung ich meine? Schaut euch doch an! Wie unordentlich sind eure Körper gebaut; Extremitäten ragen heraus; manche sind groß, andere klein, manche dick, andere

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