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Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Der Mißerfolg diskreditierte keineswegs die Idee, die ihm vorschwebte.
      Was die ehelichen Komplikationen betrifft, so stand die Frau, die er heiratete, unter dem starken Einfluß ihm feindlich gesinnter Nachbarn, die sie dazu verleiteten, falsche Geständnisse abzulegen. Im übrigen festigen Elektroschocks den Charakter. Jeremias fühlte sich vereinsamt, verlacht, auch durch engstirnige Spezialisten wie den Professor Brummber, der ihn einen elektrischen Halsabschneider genannt hatte, bloß weil Jeremias einmal die Drosselspule nicht zweckentsprechend benutzt hatte. Brummber war ein böser Mensch, er taugte nicht viel, dennoch mußte Jeremias einen kurzen Augenblick gerechten Zorns mit einer vierjährigen Unterbrechung seiner wissenschaftlichen Arbeit bezahlen. Alles nur, weil ihm kein Erfolg beschieden war. Wer hätte sich sonst an seinen Manieren, an seinem Umgang oder an seinem Stil gestoßen? Wer verbreitet schon Klatsch über das Privatleben Newtons oder das des Archimedes? Aber leider war Jeremias seiner Zeit weit voraus, und dafür mußte er büßen.
      Gegen Ende seines Lebens, genauer gesagt in seinem letzten Lebensabschnitt, machte Jeremias eine verblüffende Metamorphose durch, die sein Schicksal völlig wandelte. Er schloß sich fest in seinem Keller ein, aus dem er alle Apparate, bis auf das letzte Teilchen, entfernt hatte, so daß er innerhalb seiner vier Wände allein blieb mit einer Liegestatt aus zusammengeschlagenen Brettern, einem Hocker und einer alten Eisenschiene. Dieses Asyl oder, wenn man so will, dieses freiwillige Gefängnis verließ er nicht mehr. Aber war es ein Gefängnis, und sein Verhalten nur Flucht vor der Welt, eine resignierte Abkehr, ein Rückzug in das Schicksal eines sich selbst geißelnden Einsiedlers? Die Tatsachen sprechen deutlich gegen eine solche Annahme. Er verbrachte sein Leben in der selbstauferlegten Abgeschiedenheit nicht mit stiller Meditation. Durch ein kleines Fenster in der Kellertür reichte man ihm außer etwas Brot und Wasser die Gegenstände, die er verlangte, und er verlangte in jenen sechzehn Jahren immer die gleichen: Hämmer von verschiedenem Gewicht und verschiedener Form. Er verbrauchte davon 3219 Stück, und als das große Herz zu schlagen aufhörte, fand man in den Winkeln des Kellers Hunderte und aber Hunderte verrosteter, in unermeßlicher Arbeit abgeplatteter Hämmer. Tag und Nacht drang aus dem Verlies ein dröhnendes Hämmern, das nur für kurze Zeit unterbrochen wurde, wenn der freiwillige Gefangene seinen ermatteten Körper stärkte oder, nach kurzem Schlaf, Notizen ins Tagebuch eintrug, die jetzt vor mir liegen. Man ersieht daraus, daß sich sein Geist nicht gewandelt hatte, sondern, im Gegenteil, gefestigter als jemals zuvor, auf ein neues Ziel gerichtet gewesen war. »Ich werde schon noch mit ihr fertig werden!« – »Ich werde sie schon noch zum Äußersten bringen!« – »Noch ein bißchen, dann ist sie geliefert!« Von solchen, in seiner kaum lesbaren Schrift hingeworfenen Bemerkungen wimmelt es in diesen dicken Heften, die bedeckt sind mit metallischen Feilspänen. Mit wem wollte er fertig werden, wer sollte geliefert sein? Dieses Geheimnis läßt sich nicht klären, denn kein einziges Mal fällt der Name dieser ebenso rätselhaften wie mächtigen Widersacherin. Ich stelle mir vor, daß er in einem der plötzlichen Geistesblitze, die kein seltener Gast großer Seelen sind, beschlossen hatte, auf höchster Stufe zu vollenden, an was er zuvor bescheidener herangegangen war. Er hatte seinerzeit gewisse Einrichtungen in Zwangslagen gebracht und sie gegeißelt, um sein Ziel zu erreichen. Nun hatte sich der stolze Greis durch das freiwillige Einschließen von dem Chor der geistlosen Kritikaster abgesondert und war durch die Kellertür in die Geschichte eingegangen, denn – das ist meine Hypothese – er hat mit der mächtigsten aller möglichen Widersacherinnen gerungen: In sechzehnjähriger Arbeit verließ ihn nicht einen Augenblick die Gewißheit, daß er den Kern des Seins erstürme, daß er – mit einem Wort – ohne zu zögern, ohne jegliche Zweifel, mitleidslos und unaufhörlich die Materie schlage.
      Zu welchem Zwecke er das tat? Nun, mit dem Verhalten jenes Monarchen des Altertums, der das Meer auspeitschen ließ, weil es seine Schiffe verschlungen hatte, ließ sich das nicht vergleichen. Ich vermute hinter dieser Sisyphusarbeit, die mit soviel Heldenmut betrieben wurde, einen mehr als frappierenden Gedanken. Künftige

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