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Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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meines Ver wandten umkreisten, beträchtlich gewachsen. Wenn er manövrierte, bewegte er sich gewissermaßen in einer Aureole des Todes, was geradezu an Dürers Totentänze gemahnte. Das war jedoch, ich wiederhole, nicht sein Wille, sondern die Folge eines Naturgesetzes.
      Der Sohn von Eusebius’ Schwester, mein Vetter Aristarch Felix Tichy, vereinte in sich die wertvollsten Talente, die bisher getrennt in unserem Geschlecht auftraten. Er kam auch als einziger zu Anerkennung und ansehnlichem Wohlstand, dank der gastronomischen Technologie, auch Gastronautik genannt, die er glänzend weiterentwickelte. Die Ursprünge dieses technischen Zweiges reichen noch bis ins Ende des 20. Jahrhunderts zurück. Damals kannte man sie unter der strengen, primitiven Gestalt der sogenannten Kannibalisierung der Raketen. Um Material und Raum zu sparen, ging man dazu über, zur Herstellung von Schiffsspanten und Wänden gepreßte Lebensmittelkonzentrate, also verschiedene Grützen, Tapioka, Hülsenfrüchte und ähnliches, zu verwenden. Später erweiterte man dieses Verfahren auf die Raketenmöbel. Mein Vetter beurteilte die Qualität der damaligen Produktion mit der lapidaren Aussage, daß man es in einem schmackhaften Sessel nicht lange aushalten könne, ein bequemer hingegen Verdauungsbeschwerden verursache. Aristarch Felix ging in einer völlig neuen Weise an die Dinge heran. Kein Wunder, daß die Vereinigte Aldebaranische Werft seine erste Dreistufenrakete (Vorspeisen, Gebratenes, Nachtisch) nach seinem Namen benannte. Heute wundert sich keiner mehr über Schalttafeln auf mürbem Untergrund (die sog. Elektroplätzchen), Kondensatorenschichtkuchen, Makkaroniisolierung, Honigkuchenspulen, das heißt Spulen mit Mandeln in Honig, der ja ein guter Leiter ist, schließlich Fenster aus Panzerzucker, obschon nicht jeder Garnituren aus Rührei oder Kissen aus Zwieback und abgeriebenem Napfkuchen mag (dies wegen der Krümel im Bett). All das ist das Werk meines Vetters. Er hat die Schlepptaue aus geräucherten harten Würstchen erfunden, die Strudellaken, die Steppdecken aus Aufläufen sowie den Antrieb aus Bandnudeln und Grießbrei, und er hat als erster Emmentaler Käse für Kühlaggregate verwendet. Indem er die Salpetersäure durch Brotsäure, also Kwaß, ersetzte, machte er Brennstoff (und zwar alkoholfreien!) zu einem schmackhaften, erfrischenden Getränk. Zuverlässig sind auch seine Feuerlöscher aus Moosbeerenkaltschale, die ebensogut Brände löschen wie den Durst. Aristarch fand auch Nachahmer, aber keiner kam ihm gleich. Ein gewisser Globkins versuchte, als Lichtquelle eine Sachertorte mit Docht auf den Markt zu bringen, aber es wurde ein Mißerfolg, denn die Torte gab wenig Licht und schmeckte nach Ruß. Auch seine Fußabtreter aus Risotto fanden keine Käufer, ebenso die Isolierplatten aus Halwa, die schon beim ersten Zusammenstoß mit Meteoren barsten. Erneut erwies es sich, daß eine allgemeine Idee nicht genügt, denn jede konkrete Lösung muß schöpferisch sein – wie der in seiner Einfachheit geniale Gedanke meines Vetters, alle leeren Stellen in der Konstruktion einer Rakete mit der Vanille-Suppe »Nichts« auszufüllen, wodurch man ein Vakuum gewinnt und sich gleichzeitig satt essen kann. Ich denke, daß dieser Abkömmling der Tichys voll und ganz den Ruf, ein Wohltäter der Kosmonautik zu sein, verdient hat. Die Pioniere der Raumfahrt versicherten uns vor noch nicht so langer Zeit, als uns schon beim Anblick der Algenklopse und Süppchen aus Moosen und Flechten übel wurde, daß die Menschheit mit ebensolcher Kost zu den Sternen fliegen werde. Schönen Dank! Es ist ein Glück, daß ich bessere Zeiten erlebt habe, denn wie viele Besatzungen sind in meiner Jugendzeit Hungers gestorben, als sie zwischen den dunklen Strömungen des Raums drifteten und vor der Wahl standen, entweder zum Lotteriesystem überzugehen oder durch demokratische Wahlen mit einfacher Stimmenmehrheit zu entscheiden. Jeder wird mir recht geben, der sich noch der bedrückenden Atmosphäre der Versammlungen erinnert, auf denen diese unangenehmen Dinge behandelt wurden. Es gab sogar ein vieldiskutiertes Projekt von Drappluss, nach welchem, mit dem Gedanken an Schiffbrüchige, im ganzen Sonnensystem gleichmäßig feine Grütze oder Grieß sowie Kakaopulver ausgestreut werden sollte, aber der Vorschlag kam nicht durch, einmal, weil das zu teuer war, zum anderen, weil die Kakaowolken die Navigationssterne verdeckt hätten. Erst der Raketenkannibalismus

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