Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
Vom Netzwerk:
»Vater-Sohn-Planetenstaat«. Die Behörden leiteten neue Verfahren ein, aber sie wurden von dem unermüdlichen Anwalt des Kathodius Mattrass samt und sonders im Keime erstickt.
      Das State Department wußte genau, daß sein durchtriebener Gegenspieler nicht nur zum Scherz im Nebelfleck des Krab herumschwamm. Mattrass wollte einen Präzedenzfall schaffen, gegen den es keine gesetzliche Handhabe gab, und man war sich darüber im klaren, daß sein Schritt unabsehbare Konsequenzen nach sich ziehen würde, wenn es nicht gelänge, ihn als strafbar zu deklarieren. So brüteten denn die findigsten Köpfe Tag und Nacht über den Akten, verfielen auf immer gewagtere juristische Winkelzüge, emsig bemüht, ein feinmaschiges Netz zu knüpfen, in dem sich Matt rass verfangen und ein unrühmliches Ende finden sollte. Aber was sie auch immer ersannen – jeder ihrer Vorstöße wurde durch Gegenaktionen des Anwalts vereitelt.
      Ich selbst verfolgte den Verlauf der Kämpfe mit lebhaftem Interesse, als ich eines Tages – völlig unerwartet – von der Anwaltskammer zu einer außerordentlichen Plenarsitzung eingeladen wurde, und zwar zur Debatte über die Affäre »Vereinigte Staaten kontra Kathodius Mattrass et Fortinbrass alias Planet im Nebelfleck des Krab«. Die Elite der Anwälte füllte die gewaltigen Logen, die Etagen und die Reihen im Parkett. Ich hatte mich ein wenig verspätet, die Beratungen waren bereits im Gange. So nahm ich in einer der letzten Reihen Platz und lauschte dem ergrauten Herrn, der gerade sprach.
      »Werte Kollegen!« sagte er und hob theatralisch die Hände. »Ungewöhnliche Schwierigkeiten harren unser, wenn wir zu einer juristischen Analyse dieses Problems schreiten! Ein gewisser Mattrass hat sich mit Hilfe einer gewissen Fortinbrass in Roboter verwandelt und sich im Maßstab eins zu einer Million vergrößert. So sieht die Angelegenheit vom Standpunkt des Laien aus – ein Standpunkt kompletter Ignoranz, heiliger Unschuld, denn ein Laie ist außerstande, den Abgrund juristischer Probleme auch nur zu ahnen, der hier vor unserem entsetzten Auge klafft! Als erstes müssen wir entscheiden, mit wem wir es zu tun haben – mit einem Menschen, mit einem Roboter, mit einem Staat, mit einem Planeten, mit Kindern, mit einer Räuberbande, mit Verschwörern, mit Demonstranten oder mit Aufrührern. Bedenken Sie, meine Kollegen, wieviel von dieser Entscheidung abhängt! Erklären wir zum Beispiel, daß es sich nicht um einen Staat, sondern um eine usurpatorische Roboterbande handelt, um einen elektronischen Auflauf sozusagen, dann können wir uns nicht auf die Normen des Völkerrechts berufen, sondern nur auf Paragraphen wie ›Störung der Ordnung auf öffentlichen Wegen‹. Behaupten wir, daß Mattrass nach wie vor existiere, Kinder habe, dann resultiert daraus, daß sich dieses Individuum selber geboren hat – und damit bereiten wir uns die fürchterlichsten Schwierigkeiten, denn in unseren Gesetzen ist so etwas nicht vorgesehen, obwohl es heißt: nullum crimen sine lege! Deshalb schlage ich vor, zunächst dem berühmten Kenner des internationalen Rechts Professor Pingerling das Wort zu erteilen.«
      Der ehrwürdige Jurist wurde mit herzlichem Beifall begrüßt, als er ans Podium trat. »Meine Herren!« sagte er mit rüstiger Greisenstimme. »Untersuchen wir zunächst, wie man einen Staat gründet. Man kann ihn, wie Sie wissen, auf verschiedene Weise ins Leben rufen. Unser Vaterland war einst eine englische Kolonie, erklärte dann seine Unabhängigkeit und konstituierte sich zu einem Staat. Trifft das auch auf Mattrass zu? Die Antwort lautet: Wenn Mattrass bei Sinnen war, als er sich in einen Roboter verwandelte, kann seine staatsfördernde Tat als juristisch einwandfrei angesehen werden, allerdings müßte man seine Nationalität als elektronisch bezeichnen. Wenn er hingegen nicht bei Sinnen war, dann kann sein Schritt keine rechtliche Anerkennung finden!«
      An dieser Stelle erhob sich ein weißhaariger Greis, offensichtlich noch bejahrter als sein Vorredner. »Hohes Ger… Verzeihung – meine Herren! Gestatten Sie mir folgenden Einwand: Selbst wenn wir annehmen, Mattrass sei unzurechnungsfähig gewesen, können wir nicht ausschließen, daß seine Nachkommen zurechnungsfähig sind. Das würde bedeuten, daß der Staat, der zunächst nur als das Produkt eines kranken Hirns gegründet wurde und somit den Charakter eines krankhaften Symptoms besaß, später objektiv, das heißt de facto, zu

Weitere Kostenlose Bücher