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Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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ganz zu schweigen davon, daß sie kein Recht besäßen, an den Beratungen teilzunehmen. Der Vorsitzende, Professor Hurtledrops, begann mit einem kleinen Kompaß in der Hand im Saal umherzugehen, und jedesmal, wenn die Nadel zu zittern begann und auf einen der Sitzenden wies, angezogen von dem Blech unter der Kleidung, wurde das betreffende Individuum auf der Stelle vor die Tür gesetzt. Auf diese Weise leerte sich der Saal bis zur Hälfte, während die Dozenten Fitts, Pitts und Clabenty ihre Reden schwangen, wobei man den letzteren mitten im Wort unterbrach, denn der Kompaß hatte seine elektronische Herkunft verraten. In einer kurzen Pause stärkten wir uns am Büfett. Die lärmende Diskussion verstummte nicht eine Sekunde lang. Als ich in den Saal zurückkehrte, mußte ich meine Hose festhalten, denn die erregten Juristen hatten im Gespräch immer wieder nach meinen Knöpfen gegriffen und mir alle abgerissen. Plötzlich entdeckte ich einen großen Röntgenapparat, er stand neben dem Podium. Es sprach gerade Rechtsanwalt Plussex und behauptete, Mattrass sei ein zufälliges kosmisches Phänomen, da näherte sich mir mit drohender Miene der Vorsitzende – die Kompaßnadel in seiner Hand zitterte beängstigend. Schon hatte mich der Saaldiener am Kragen gepackt, als sich die Magnetnadel wieder beruhigte, denn ich hatte eiligst mein Taschenmesser, den Büchsenöffner und das Tee-Ei weggeworfen und die metallenen Klammern an den Sockenhaltern abgerissen. Als man sah, daß ich aufhörte, auf die Kompaßnadel einzuwirken, wurde ich zur weiteren Teilnahme an den Beratungen zugelassen. Man entlarvte noch dreiundvierzig weitere Roboter, und unterdessen bemühte sich Professor Buttenham nachzuweisen, Mattrass müsse als eine Art kosmischer Auflauf betrachtet werden. Mir fiel ein, daß davon bereits die Rede gewesen war – offensichtlich mangelte es den Experten schon an Ideen –, da begann erneut eine Kontrolle, eine Art Röntgen-Razzia. Nun wurden auch die tugendsamsten Zuhörer gnadenlos durchleuchtet, und es zeigte sich, daß sich unter ihren tadellos sitzenden Anzügen Korund-, Nylon-, Kristall-, Stroh- und Plasterümpfe verbargen. In einer der letzten Reihen wurde sogar jemand entdeckt, der aus Twist bestand. Als der nächste Redner das Podium verließ, saß ich nahezu mutterseelenallein in dem riesigen leeren Saal. Man durchleuchtete den Redner und setzte ihn vor die Tür. Der Vorsitzende – der letzte Mensch, der außer mir im Saal verblieben war – trat an meinen Stuhl. Nichtsahnend nahm ich ihm den Kompaß ab. Die Nadel begann anklagend zu kreisen und zeigte dann auf ihn. Ich klopfte seinen Bauch ab – er klang metallisch. Rasch packte ich den Kerl am Kragen, setzte ihn vor die Tür und blieb allein. Einsam stand ich vor den vielen Taschen, Aktenstößen, Zylindern, Spazierstöcken, Hüten, vor den ledergebundenen Büchern und vor den Galoschen. Eine Weile schlenderte ich durch den Saal. Als ich

    sah, daß nichts mehr für mich zu tun blieb, wandte ich mich kurzerhand um und ging nach Hause.

    DIE ANSTALT DES DOKTOR VLIPERDIUS

    Der Dentist war schuld, der mir die Metallkronen aufgesetzt hatte. Die Verkäuferin im Kiosk, die ich anlächelte, hatte mich für einen Roboter gehalten. Klar wurde mir das erst in der Metro, als ich die Zeitung entfaltete: Es war der »Menschenfreie Kurier«. Ich halte nicht viel von diesem Blatt, nicht daß ich irgendwelche antielektrischen Vorurteile hätte, aber es schmeichelt zu sehr dem Geschmack der Leser. Die ganze erste Seite nahm die rührselige Geschichte eines Mathematikers ein, der sich in eine Rechenmaschine verliebte. Beim Einmaleins blieb er noch einigermaßen fest, als es aber zu Lösungen unlinearer Gleichungen n-ten Grades kam, begann er leidenschaftlich ihre Tasten zu drücken und zu wiederholen: »Teuerste! Nie werde ich dich verlassen!« und so weiter. Verstimmt warf ich einen Blick in die Gesellschaftschronik, aber da gab es nur monotone Aufzählungen, wer wann und mit wem eine Nachkommenschaft konstruiert hatte. Der literarischen Spalte war ein Gedicht vorangestellt, das mit dem Vers begann:

    Es liebte dereinst ein Roboter
    die schöne Roboterin,
    er sang ihr eine Kathotter,
    da war ihre Spule dahin.
    Es ist eine alte Geschichte,
    doch bleibet sie ewig neu,
    und wem sie just passieret,
    dem bricht die Feder entzwei.
      Das erinnerte mich seltsam an Dichtungen, die ich von anderswoher kannte, doch der Autor wollte mir nicht einfallen. Es gab auch zweifelhafte

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