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Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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mich.
      Er setzte sich ebenfalls, rasselnd und klappernd. Er war abstoßend. Seine Bauchbleche hatten sich völlig gelockert.
      »Die Leimer ja«, sagte er mit Überzeugung. »Lediglich aus meiner Loyalität gegenüber meinem Beruf – nicht dir gegenüber, du ehrloser Wicht – werde ich meine Künste zu deiner Verteidigung entfalten, du Kreatur! Vielleicht gelingt es mir, die deiner harrende Strafe auf ein einmaliges Auseinandernehmen herabzumildern.«
      »Wieso«, sagte ich, »mich kann man doch nicht auseinandernehmen.«
      »Ha, ha!« knirschte er. »Das scheint dir nur so. Und jetzt sag, was führtest du im Schilde, du klebrige Kanaille!«
    »Wie heißt du?« fragte ich.
    »Klaustron Fridrak.«
    »Klaustron Fridrak, sage mir, wessen ich bezichtigt werde.«
      »Der Leimigkeit«, erwiderte er sogleich. »Dafür bekommst du die Hauptstrafe. Und ferner der Absicht, uns zu verkaufen, des Spionierens zugunsten der Klumpe, des blasphemischen Plans, die Hand gegen Seine Induktivität zu erheben – mehr als genug, du schleimiger Leimer! Bekennst du dich schuldig?«
      »Bist du auch bestimmt mein Verteidiger?« fragte ich. »Du sprichst ja wie ein Staatsanwalt oder wie ein Untersuchungsrichter.«
      »Ich bin dein Verteidiger.«
      »Gut. Ich bekenne mich in keinem dieser Punkte schuldig.«
      »Die Fetzen werden von dir nur so fliegen«, brüllte er.
      Als ich sah, was ich für einen Verteidiger bekommen hatte, verstummte ich. Am Tag darauf wurde ich zum Verhör geführt. Ich gab nichts zu, obwohl der Richter womöglich noch schrecklicher donnerte als mein Verteidiger. Er brüllte, flüsterte und brach in blechernes Lachen aus, dann wieder erklärte er mir völlig ruhig, daß er eher anfangen werde zu atmen, denn daß ich der Gerechtigkeit der Großartigen entginge.
      Beim nächsten Verhör war ein wichtiger Würdenträger zugegen – nach der Anzahl der Röhren zu urteilen, die in ihm glühten. Vier weitere Tage verstrichen. Das schlimmste war der Hunger. Ich begnügte mich mit dem Hosengürtel, den ich in dem Wasser tränkte, das mir der Wärter einmal täglich brachte, wobei er den Topf weit von sich entfernt hielt, als trüge er Gift.
      Nach einer Woche ging der Gürtel zur Neige, aber ich hatte zum Glück hohe Schnürschuhe aus Ziegenleder an; ihre Zungen waren das Beste, was ich während meines Aufenthalts in der Zelle gegessen habe.
      Am achten Tag, am frühen Morgen, befahlen mir zwei Wärter, meine Sachen zu packen. Ich wurde in den Gefängniswagen ge steckt und unter Bewachung zum Eisernen Palast, dem Sitz des Kalkulators, gefahren. Über prunkvolle, nichtrostende Treppen, durch Säle, die mit Kathodenröhren bestückt waren, wurde ich in ein großes, fensterloses Zimmer geführt. Dort ließen mich die Wärter allein. Von der Decke hing ein schwarze Vorhang herab, der in faltigem Karree die Zimmermitte umgab.
      »Elender Leimer!« donnerte eine Stimme, die durch Rohre aus eisernem Untergrund zu dringen schien. »Deine letzte Stunde hat geschlagen. Sag, was du vorziehst: Häckselschneide, Knochenbrecher oder Bohrhydraulik?«
      Ich schwieg. Der Kalkulator erdröhnte, rauschte und ließ sich vernehmen: »Hör mich an, du leimige Kreatur, hergekommen aus der Ränkeschmiede der Klumpe! Vernimm meine mächtige Stimme, Schleimkleber, säuriger Nasenrotz! In der Großartigkeit meiner lichten Ströme gewähre ich dir eine Gnade: Wenn du auf die Seite meiner treuen Scharen übertrittst, wenn du mit ganzer Seele ein Großartiger sein möchtest, werde ich dir vielleicht dein Leben schenken.«
      Ich sagte, daß das schon lange mein Traum gewesen sei. Der Kalkulator stieß ein höhnisch-wieherndes, pulsierendes Lachen aus und versetzte: »Deine Lügen werde ich zu den Märchen legen. Hör zu, Fallsüchtiger. Du kannst dein klebriges Leben nur als großartiger Geheimhellebardier bewahren. Deine Aufgabe wird sein, alle Leimer, Spionierer, Agenten, Verräter und jegliches andere Gewürm, das die Klumpe herschickt, zu entlarven, zu enthüllen, du wirst ihnen die Visiere herunterreißen, sie mit weißglühenden Eisen ausbrennen. Nur durch diese Art untertänigen Dienstes kannst du dich retten.«
      Als ich alles feierlich versprochen hatte, führte man mich in einen anderen Raum, wo ich ins Register eingetragen wurde und den Befehl erhielt, täglich in der Haupthellebardei Meldung zu erstatten. Dann durfte ich, benommen und auf schwanken Beinen, den Palast verlassen.
      Dunkelheit

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