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Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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vorbeikam, und legte mich schlafen. Am Morgen, als ich mich im Spiegel betrachtete, bemerkte ich ein kleines, mit Kreide gezeichnetes Kreuz an der linken Brustseite, und wie Schuppen fiel es mir von den Augen: Dieser Mensch wollte mich verraten, deshalb hatte er mich gezeichnet! Der Schurke, wiederholte ich in Gedanken und erwog fieberhaft, was ich nun beginnen sollte. Ich wischte das Judaszeichen ab, aber das befriedigte mich nicht. Sicherlich hat er schon Bericht erstattet, dachte ich, und sie werden diesen unbekannten Leimer suchen, werden sicherlich ihre Register befragen; zuerst kamen natürlich die am meisten Verdächtigen dran – und ich stand ja bereits auf ihren Listen. Bei dem Gedanken, daß sie mich verhören würden, erbebte ich. Ich sah ein, daß ich auf irgendeine Weise den Verdacht von mir wenden müsse, und fand rasch eine Methode. Ich brachte den ganzen Tag in der Schenke zu und mißhandelte Kälber bis zur Unkenntlichkeit; in der ersten Abenddämmerung ging ich in die Stadt. In der Hand hielt ich ein Stückchen Kreide. Ich zeichnete damit an die vierhundert Kreuzchen auf die Panzer der Passanten – sobald mir einer in den Weg kam, wurde er gezeichnet. Gegen Mitternacht kehrte ich mit etwas leichterem Herzen in die Kneipe zurück, und erst da fiel mir ein, daß ja außer dem Judas, mit dem ich mich unterhalten hatte, auch noch andere Hellebardiere im Gebüsch verschwunden waren. Mir kam ein verblüffend einfacher Gedanke. Ich ging hinaus vor die Stadt, um Beeren zu pflücken. Gegen Mitternacht erschien wieder die eiserne Rotte, zerstreute sich langsam, lief auseinander, und aus den benachbarten Sträuchern drang hastiges Schnaufen und Schmatzen der eifrig kauenden Münder. Dann klickten die Verschlüsse der Visiere, und die ganze Gesellschaft kroch stumm aus den Büschen, vollgestopft mit Beeren wie die Brummkreisel. Da näherte ich mich ihnen, sie hielten mich im Dunkeln für einen der Ihren. Im Gehen malte ich meinen Nachbarn kleine Kreidekreise auf die Panzer, wo ich gerade konnte. Vor den Toren der Hellebardei machte ich kehrt und ging in meine Schenke zurück.
      Am nächsten Morgen setzte ich mich vor der Hellebardei auf die Bank und wartete, bis jene herauskamen, die einen Ausgangsschein besaßen. Als ich in der Menge einen entdeckte, der einen Kreis auf dem Schulterblatt hatte, folgte ich ihm, und als außer uns beiden niemand auf der Straße war, schlug ich ihm mit dem Handschuh auf den Rücken, daß er wie eine Glocke dröhnte, und sagte zu ihm: »Im Namen Seiner Induktivität! Folge mir!«
      Er erschrak dermaßen, daß er zu zittern anfing. Wortlos humpelte er mir nach, unterwürfig wie ein Kaninchen. Nachdem ich die Tür des Zimmers geschlossen hatte, begann ich ihm den Kopf abzuschrauben, mit dem Schraubenzieher, den ich in der Tasche hatte. Nach einer Stunde waren meine Bemühungen von Erfolg gekrönt. Ich hob ihn wie einen eisernen Topf hoch und erblickte ein vom ständigen Aufenthalt im Dunkeln erbleichtes, mageres Gesicht mit vor Angst hervorquellenden Augen.
      »Du bist ein Leimer?!« knurrte ich.
      »Jawohl, Euer Gnaden, aber…«
      »Was aber?!«
      »Aber ich bin doch registriert… Ich habe Seiner Induktivität Treue geschworen!«
      »Wie lange ist das her? Sprich!«
      »Drei… drei Jahre ist es her… Herr – wofür – wofür habt Ihr mich…«

    »Warte«, sagte ich, »kennst du andere Leimer?«
      »Auf der Erde? Zu dienen, Euer Gnaden, gewiß, ich bitte um Gnade, ich will…«
      »Nicht auf der Erde, du Trottel, hier!«
      »Nein! Woher? Sobald ich einen erblicke, bin ich gleich da und melde, Euer Gna…«
      »Schon gut«, sagte ich. »Kannst gehen. Den Kopf drehst du dir selbst fest.«
      Ich drückte ihm alle Schräubchen in die Hand und drängte ihn hinaus. Ich hörte, wie er sich mit zitternden Händen den Schädel aufsetzte, und hockte mich aufs Bett, von alledem sehr erstaunt. Die ganz folgende Woche hindurch hatte ich eine Menge Arbeit, denn ich nahm Fußgänger von der Straße mit, jeden, der mir in die Quere kam. Meine Ahnung trog mich nicht: Alle, aber auch alle, waren Menschen! Ich fand unter ihnen nicht einen einzigen Roboter. Allmählich entstand vor meinem Auge ein apokalyptisches Bild…
      Ein Satan, ein elektrischer Satan – dieser Kalkulator! Was für eine Hölle hatten seine glühenden Drähte ausgebrütet! Der Planet war feucht, rheumatisch, für Roboter in höchstem Maße ungesund, offenbar waren sie massenhaft

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