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Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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verrostet, vielleicht hatten auch mit den Jahren immer mehr Ersatzteile gefehlt, sie begannen Fehler aufzuweisen, einer nach dem anderen kamen sie auf den geräumigen Vorstadtfriedhof, wo nur der Wind mit den Bogen des zerbröckelnden Blechs ihnen das Totengeläut gab. Als der Kalkulator merkte, wie seine Reihen dahinschmolzen, und er seine Herrschaft in Bedrängnis geraten sah, vollzog er eine geniale Wendung. Aus Feinden, aus den zu seinem Verderb hergeschickten Spitzeln, begann er ein eigenes Heer, eigene Agenten, ein eigenes Volk zu formieren. Keiner der Entlarvten konnte Verrat üben – keiner wagte eine Kontaktaufnahme zu anderen als zu Menschen, denn er wußte nicht, daß sie keine Roboter waren, und selbst wenn er es von diesem oder jenem wußte, so hatte er Angst, der könnte ihn beim ersten Kontaktversuch verraten, wie das jener erste als Hellebardier verkleidete Mensch zu tun versuchte, den ich beim Beerenpflücken überrascht hatte. Der Kalkulator gab sich mit der Neutralisierung seiner Feinde nicht zufrieden – er machte jeden zum Kämpfer für die eigene Sache, und indem er ihn zwang, die anderen, neu hergeschickten Menschen zu verraten, lieferte er einen weiteren Beweis seiner höllischen Durchtriebenheit, denn wer vermochte wohl besser die eingeschleusten Menschen von Robo tern zu unterscheiden, wenn nicht eben jene Menschen selbst, die ja sämtliche Praktiken der Abwehr von Grund auf kannten!
      So fühlte sich jeder entlarvte, in die Register eingetragene und eingeschworene Mensch allein und fürchtete womöglich jene, die ihm ähnelten, mehr als die Roboter, denn die Roboter brauchten nicht Agenten der Geheimpolizei zu sein, die Menschen hingegen waren es durch die Bank. So hielt uns das elektrische Monstrum in der Sklaverei, indem es alle durch alle kontrollieren ließ, denn schließlich waren es meine Leidensgefährten gewesen, die meine Rakete zertrümmert hatten, ebenso – das erfuhr ich aus dem Munde des Hellebardiers – wie unzählige andere Raketen vorher.
      Die Hölle, ein Satan! dachte ich, zitternd vor Wut. Nicht genug, daß er die Menschen zum Verrat zwang, nicht genug, daß die Abteilung selbst ihm immer mehr von ihnen zu seiner eigenen Bequemlichkeit herschickte, man rüstete sie ihm auf der Erde auch noch mit der besten rostfreien Verkleidung aus. Waren denn unter diesen in Blech geschmiedeten Scharen überhaupt noch Roboter? Ich hegte ernste Zweifel. Nun wurde mir auch der Eifer verständlich, mit dem die Menschen verfolgt wurden. Da sie es selbst waren, mußten sie ja als Neophyten des Großartigseins mehr Roboter sein als die echten Roboter. Daher auch der wilde Haß, den mir mein Anwalt entgegenbrachte. Daher der schurkische Versuch, mich zu verraten, den jener Mensch, den ich als ersten entlarvt hatte, unternahm. Welche Dämonie der Spulen und Wicklungen, welche elektrische Strategie!
      Die Enthüllung des Geheimnisses hätte nichts genützt; man hätte mich auf Befehl des Kalkulators ohne Umschweife ins Verlies geworfen – die Untertänigkeit fesselte die Menschen zu lange, zu lange schon heuchelten sie Untertänigkeit und Anhänglichkeit gegenüber diesem elektrifizierten Beelzebub; sie hatten ja sogar ihre Sprache verlernt.
      Was tun? Sich in den Palast schleichen? Das war ein wahnwitziges Unterfangen. Doch was blieb mir übrig? Eine unheimliche Geschichte: Eine Stadt, umgeben von Friedhöfen, auf denen die in Rost verkehrten Roboterhaufen des Kalkulators ruhten, er indes regierte weiter, stärker denn je, seiner Sache gewiß, weil ihm die Erde immer neue und neue Scharen schickte – eine Teufelei. Je länger ich überlegte, um so besser begriff ich, daß selbst diese Entdeckung, die zweifellos vor mir so mancher von uns gemacht hatte, nichts an der Lage änderte. Einzeln konnte er nichts tun, er mußte sich jemandem anvertrauen, und das bedeutete unweigerlich Verrat, der Verräter rechnete natürlich mit einer Beförderung, er sah es darauf ab, sich die besondere Gnade der Maschine zu erkaufen. Beim heiligen Elektricius! dachte ich, er ist ein Genie… Und während ich so darüber nachsann, bemerkte ich, daß ich selbst schon ein wenig die Grammatik und die Syntax archaisierte, daß sich auch mir diese Pest mitteilte, daß mir das Aussehen der eisernen Rümpfe natürlich erschien und das Menschengesicht als etwas Nacktes, Häßliches, Unanständiges – eben Leimernes vorkam. Du lieber Himmel, ich werde wahnsinnig, dachte ich, und die anderen sind sicherlich

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