Sterntagebücher
ergab, war die Feststellung, es sei eben alles so, wie es sein müsse.
Eines Tages verbreitete sich eine Nachricht, die uns in höchste Erregung versetzte. Es wurde erzählt, eine außerordentliche Änderung stehe bevor; einige wagten sogar zu behaupten, der Große Hechter persönlich würde in absehbarer Zeit Wohnungstrockenheit – vielleicht gar allgemeine Trockenheit anordnen. Die Leitung ging unverzüglich daran, den Defätismus zu bekämpfen, indem sie neue Projekte für Fischdenkmäler ausarbeitete. Dennoch, das hartnäckige Gerücht kehrte in immer phantastischeren Versionen wieder. Ich hörte mit meinen eigenen Ohren, wie jemand erzählte, man habe den Großen Hechter mit einem Handtuch gesehen.
Eines Nachts tönte aus dem Gebäude der Direktion das lärmen
de Treiben einer Belustigung zu uns herüber. Ich schwamm auf den Hof und erblickte den Direktor und den Lektor, die mit großen Kübeln Wasser aus dem Fenster gossen und laut dazu sangen. Im Morgengrauen erschien der Lektor bei uns. Er saß in einem abgedichteten Boot und erklärte uns, alles, was bisher gewesen sei, hätte auf einem Mißverständnis beruht. Neue, wahrhaft freie Existenzbedingungen würden nun geschaffen, zunächst werde jedoch das Glucksen als quälend, gesundheitsschädlich und völlig überflüssig abgeschafft. Während seiner Ansprache tauchte er einen Fuß ins Wasser, zog ihn zurück und schüttelte sich voller Abscheu. Zum Schluß fügte er hinzu, er sei schon immer gegen das Wasser gewesen und habe wie kaum jemand begriffen, daß daraus nichts Gutes kommen könne. Zwei Tage lang gingen wir nicht arbeiten. Dann wurden wir an bereits fertige Bildsäulen abkommandiert. Wir mußten ihnen die Flossen abschlagen und an ihrer Statt Beine anbringen. Der Lektor ging daran, uns ein neues Liedchen zu lehren. »Vor Freude ach die Seele schreit, herrscht ringsherum nur Trockenheit«, und nun sprach man allgemein darüber, daß in den nächsten Tagen Pumpen herbeigeschafft würden, um das Wasser abzusaugen.
Doch schon nach dem zweiten Vers wurde der Lektor in die Stadt geholt und kam nicht wieder. Am nächsten Morgen schwamm der Direktor zu uns heran, den Kopf im Wasser, und verteilte an alle wasserdichte Zeitungen. Darin wurde mitgeteilt, daß das Glucksen ein für allemal abgeschafft werde, da es gesundheitsschädigend und dem Baldurieren durchaus nicht förderlich sei. Das bedeute jedoch keineswegs die Rückkehr zur verderblichen Dürre. Im Gegenteil. Zur Akklimierung von Badubinern und zur Verklammung von Balduren werde auf dem ganzen Planeten ausschließlich Unterwasseratmung angeordnet, da sie im höchsten Maße fischhaft sei, wobei sie mit Rücksicht auf das öffentliche Wohl allmählich eingeführt werde, das heißt – jeden Tag sollten sich alle Bürger eine Weile länger als am Vortag unter Wasser auf halten. Zur Erleichterung werde der allgemeine Wasserpegel auf elf Stiele (Längenmaß) erhöht.
In der Tat wurde vor Einbruch der Dunkelheit der Wasserstand erhöht, so daß wir im Stehen schlafen mußten. Da die Flüsteranlagen überflutet waren, wurden sie ein wenig höher befestigt, und der neue Lektor begann mit Übungen im Unterwasseratmen. Nach einigen Tagen wurde durch gnädigen Erlaß des Ermesineus der Bitte aller Bürger stattgegeben und der Wasserpegel um einen weiteren halben Stiel erhöht. Alle liefen nun auf Zehenspitzen, kleinere Personen verschwanden nach kurzer Zeit irgendwo. Da das Unterwasseratmen niemandem gelingen wollte, bildete sich die Praxis heraus, immer wieder an die Oberfläche zu hüpfen, um Luft zu schnappen. Nach einem Monat gelang das schon ganz gut, und alle gaben sich nun den Anschein, als täten sie es selber nicht und sähen auch nicht, wie andere dies taten. Die Presse berichtete von gewaltigen Fortschritten im Unterwasseratmen im ganzen Land, und am freiheitlichen Meißeln mußten sich jetzt viele Personen beteiligen, die weiter nach alter Manier glucksten.
All das bereitete mir so viel Ungelegenheiten, daß ich mich schließlich dazu aufraffte, das Gelände der freiheitlichen Bildhauerei zu verlassen. Nach der Arbeit versteckte ich mich hinter dem Sockel eines neuen Denkmals (ich vergaß zu erwähnen, daß wir die den Fischen angeklebten Beine abschlugen und wieder Flossen anbrachten), und als alle verschwunden waren, schwamm ich zur Stadt. Ich hatte in dieser Beziehung den Pintern viel voraus, die – so seltsam das anmutet – gar nicht schwimmen konnten.
Ich rackerte
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