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Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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habe.
      Ein junger sympathischer Pinter, Redakteur der populären Zeitung »Die Stimme des Fisches«, hatte ebenfalls bei meiner Wirtin ein Zimmer gemietet. In den Zeitungen konnte ich oft Hinweise über Balduren und Badubiner finden. Aus dem Text war zu schließen, daß es sich dabei um Lebewesen handelte, aber ich kam nicht dahinter, was sie mit den Pintern zu schaffen hatten. Fragte ich jemanden danach, so pflegte er unterzutauchen und meine Worte durch lautes Glucksen zu übertönen. Ich wollte den Redakteur danach fragen, doch er war sehr beschäftigt. Beim Abendessen gestand er mir erregt, ihm sei eine fatale Geschichte passiert. Er habe aus Versehen in einem Leitartikel geschrieben, im Wasser sei es naß. Nun hege er diesbezüglich die schlimmsten Befürchtungen. Ich versuchte ihn zu trösten, erkundigte mich auch, ob es denn nach Ansicht der Pinter im Wasser trocken sei. Er schüttelte sich und meinte, ich verstünde rein gar nichts. Man habe alles vom Standpunkt der Fische zu betrachten. Für die Fische ist das Wasser nicht naß, folglich könne es darin nicht naß sein. Zwei Tage später war der Redakteur verschwunden.
      Auf besondere Schwierigkeiten stieß ich, wenn ich öffentliche Veranstaltungen besuchte. Als ich zum erstenmal ins Theater ging, störte mich ein unaufhörliches Flüstern und verdarb mir den Genuß an der Darbietung. In der Meinung, es seien meine Nachbarn, bemühte ich mich, nicht auf das Geräusch zu achten. Schließlich ging es mir jedoch auf die Nerven, und ich setzte mich auf einen anderen Platz, aber auch da war dieses Flüstern zu hören. Als auf der Bühne vom Großen Hechter die Rede war, flüsterte es leise: »Deine Glieder durchdringt beglückendes Beben.« Ich bemerkte, daß der ganze Saal leicht zu zittern begann. Dann stellte ich fest, daß an allen öffentlichen Stellen besondere Flüsteranlagen angebracht waren, die den Anwesenden die richtigen Empfindungen vorsagten. Da ich die Bräuche und Eigenschaften der Pinter besser kennenlernen wollte, erwarb ich eine größere Menge Bücher, Romane sowohl als auch Lesebücher und wissenschaftliche Werke. Einige davon befinden sich noch in meinem Besitz, zum Beispiel: »Der kleine Badubin«, »Von den Schrecken der Dürre«, »Wie fischig ist es im Wasser«, »Glucksen zu zweit« und ähnliches mehr. In der Universitätsbuchhandlung empfahl man mir ein Werk über die persuasive Evolution, doch außer sehr detaillierten Beschreibungen der Balduren und Badubiner konnte ich auch daraus nichts entnehmen.
      Wenn ich meine Wirtin auszufragen versuchte, schloß sie sich mit ihren Schnecken in der Küche ein, deshalb begab ich mich erneut in die Buchhandlung und fragte, wo ich denn wenigstens einen Badubiner zu sehen bekommen könnte. Auf diese Worte hin tauchten alle Verkäufer unter den Ladentisch, und junge Pinter, die zufällig anwesend waren, führten mich als Provokateur zur Fipo. Wieder in die Trockenzelle verbannt, traf ich dort drei meiner früheren Gefährten an. Erst von ihnen erfuhr ich, daß es auf Pinta keine Balduren oder Badubiner gebe. Dies seien edle, in ihrer Fischhaftigkeit vollendete Formen, in die sich die Pinter nach und nach gemäß der Lehre von der persuasiven Evolution verwandeln würden. Ich fragte, wann dies geschehen sollte. Hierauf begannen die Anwesenden zu zittern und versuchten unterzutauchen, was aus Mangel an Wasser offensichtlich unmöglich war, und der älteste an Jahren, dessen Gliedmaßen sich durch besondere Verrenkungen auszeichneten, sagte: »Höre, Wassermann, dergleichen Dinge kann man bei uns nicht straflos äußern. Wenn die Fipo von deinen Fragen erführe, würde sie das Urteil gegen dich gehörig verschärfen.«
      Niedergeschlagen und traurig hing ich meinen Gedanken nach, aus denen mich die Unterhaltung meiner Leidensgefährten riß. Sie sprachen von ihren Vergehen und erwogen deren Schwere. Der eine war in die Trockenzelle gekommen, weil er auf einem vom Wasser umspülten Sofa eingeschlafen war, sich verschluckt hatte und mit dem Ruf: »Krepieren kann man dabei!« aufgesprungen war. Der zweite hatte sein Kind Huckepack getragen, statt es von klein auf an ein Leben unter Wasser zu gewöhnen. Der dritte schließlich, der älteste, hatte das Pech, während eines Vortrags über dreihundert heldische Wassermänner, die bei einem Rekordversuch, möglichst lange unter Wasser zu bleiben, ums Leben gekommen waren, in einer Weise zu glucksen, die von kompetenten Personen als vieldeutig

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