Sterntagebücher
mich tüchtig ab, doch schließlich gelang es mir, den Flugplatz zu erreichen. Meine Rakete wurde von Fipos bewacht. Zum Glück fing in der Nähe jemand zu glucksen an, und die Fipos stürzten sich in diese Richtung. Rasch riß ich die Siegel von der Rakete, sprang hinein und startete mit Höchstgeschwindigkeit. Eine Viertelstunde später flimmerte der Planet bereits in der Ferne wie ein winziger Stern, und ich hatte doch auf ihm so viel erlebt. Ich legte mich schlafen und ergötzte mich an dem trockenen Bett. Leider währte diese angenehme Ruhe nur kurz. Heftiges Klopfen an der Luke riß mich plötzlich aus dem Schlaf. Noch halb im Schlaf rief ich: »Hoch leben die pintischen Freiheiten!« Dieser Ausruf sollte mich teuer zu stehen kommen, denn draußen war eine Patrouille pantischer Angelizei. Vergebens waren meine Worte, man habe sich verhört, ich hätte »pantische Freiheiten« und nicht »pintische« gerufen. Die Rakete wurde versiegelt und ins Schlepptau genommen. Zu allem Unglück hatte ich in der Speisekammer noch eine zweite Dose Sprotten, die ich geöffnet hatte, bevor ich mich zur Ruhe begab. Als die Angelizisten die offene Büchse sahen, erbebten sie und setzten unter Triumphgeschrei ein Protokoll auf. Kurz danach landeten wir auf dem Planeten. Als man mich in das wartende Vehikel steckte, atmete ich erleichtert auf, denn ich sah, daß der Planet, so weit das Auge reichte, ohne Wasser war. Als meine Eskorte die Skaphander ablegte, stellte ich fest, daß ich es mit Geschöpfen zu tun hatte, die mich sehr stark an Menschen erinnerten. Ihre Gesichter jedoch glichen einander so sehr, daß man sie alle für Zwillinge, obendrein für lächelnde Zwillinge halten mußte.
Obgleich die Dunkelheit hereinbrach, war es von den vielen Lichtern in der Stadt taghell. Ich bemerkte, daß alle Passanten, die mich ansahen, vor Entsetzen oder voller Mitleid den Kopf schüttelten, und eine Pantin wurde bei meinem Anblick sogar ohnmächtig, was insofern bemerkenswert war, als sie auch dann noch lächelte.
Nach einiger Zeit gewann ich den Eindruck, daß alle Bewohner des Planeten Masken trugen, doch war ich mir dessen nicht ganz sicher. Die Fahrt endete vor einem Gebäude, an dem zu lesen war: FREIE ANGELIZEI PANTAS. Die Nacht verbrachte ich einsam in einem kleinen Zimmer, dem Treiben des Großstadtlebens lauschend, das durch das Fenster zu hören war. Tags darauf wurde mir gegen Mittag im Vernehmungszimmer die Anklageschrift vorgelesen. Man klagte mich der Angelophagie an, betrieben auf Anstiften der Pinter, sowie des Verbrechens der persönlichen Differenziertheit. Beweisstücke, die gegen mich sprachen, gab es zwei: erstens die geöffnete Sprottendose, zweitens einen Spiegel, in den mich der Vernehmende hineinschauen ließ.
Er war Angelist IV. Ranges und trug eine schneeweiße Uniform mit brillantenen Blitzen quer über der Brust. Für die Vergehen, die ich begangen hätte, erklärte er, drohe mir lebenslängliche Identifizierung, dann fügte er hinzu, daß mir das Gericht vier Tage Zeit zur Vorbereitung der Verteidigung lasse. Meinen offiziellen Verteidiger könne ich jederzeit sprechen.
Da ich bereits gewisse Erfahrungen auf dem Gebiet gerichtlicher Verfahren in dieser Gegend der Milchstraße besaß, wollte ich vor allem wissen, worin die mir angedrohte Strafe bestünde. Auf meinen Wunsch wurde ich in einen kleinen bernsteinfarbenen Saal geführt, in dem bereits mein Verteidiger, ein Angelist II. Ranges, auf mich wartete.
Er zeigte sich sehr verständnisvoll und geizte nicht mit Erklärungen. »Wisse, fremder Ankömmling«, sagte er, »wir besitzen die höchste Einsicht in den Ursprung aller Sorgen, Leiden und Nöte, die zu einer Gesellschaft zusammengeschlossene Wesen erdulden. Er liegt im Individuum begründet, in der privaten Seite seiner Persönlichkeit. Die Gesellschaft, das Gemeinwesen sind ewig, sie unterliegen dauerhaften, unerschütterlichen Gesetzen, ebenso wie gewaltige Sonnen und Gestirne ihren Gesetzen unterliegen. Kennzeichen des Individuums hingegen sind Schwankungen, Unsicherheit der Entscheidungen, zufälliges Handeln, vor allem aber – Vergänglichkeit. Deshalb haben wir den Individualismus zugunsten des Gesellschaftlichen vollends liquidiert. Auf unserem Planeten existiert ausschließlich das Gemeinwesen – Individuen gibt es nicht mehr.«
»Wieso?« fragte ich verdutzt. »Was du mir da erzählst, kann doch nur eine rhetorische Floskel sein, du bist doch auch ein
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