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Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Untersuchungsbeamte redete mir freundlich zu, alles zuzugeben, als ich aber immer wieder entgegnete, ich sei unschuldig, sprang er plötzlich auf, deutete auf die Büchse mit den Sprotten und fragte: »Und was bedeutet das?«
      »Nichts«, erwiderte ich verblüfft.
      »Wir werden ja sehen. Führt diesen Provokateur ab!« schrie er.
      Damit war das Verhör beendet.
      Der Raum, in dem man mich einschloß, war völlig trocken. Ich stellte das mit wahrer Freude fest, denn das lästige Naß hatte sich bei mir bereits bemerkbar gemacht. Außer mir befanden sich in der Zelle sieben Pinter, die mich sehr freundlich aufnahmen und mir, dem Ausländer, auf der Bank Platz machten. Von ihnen erfuhr ich, daß die Sprotten, die in der Rakete gefunden worden waren, im Sinne ihrer Gesetze eine furchtbare Beleidigung der höchsten pintischen Ideale bedeuteten, und zwar wegen der sogenannten »verbrecherischen Anspielung«. Ich wollte wissen, welcher Art diese Anspielung sei, aber sie konnten oder – so schien mir – sie wollten es mir nicht sagen. Da ich sah, daß ihnen derlei Fragen unangenehm waren, verstummte ich. Sie erzählten mir noch, daß die Räume hinter Schloß und Riegel die einzigen wasserfreien Örtlichkeiten auf dem Planeten seien. Ich wollte wissen, ob sie sich im Laufe ihrer Geschichte schon immer im Wasser aufgehalten hätten, und erfuhr, daß Pinta einst viele Kontinente und wenig Meere besaß und daß es eine Unmenge scheußlicher trockener Stellen gab.
      Derzeitiger Herrscher über den Planeten war der Große Wassermann Ermesineus der Hechter. Während meines dreimonatigen Aufenthalts in der Trockenzelle hatten mich achtzehn verschiedene Kommissionen untersucht. Sie konstatierten die Form, die der Schleier auf dem Spiegel annahm, den ich anzuhauchen hatte, zählten die Tropfen, die nach dem Untertauchen ins Wasser an mir herabliefen, und verpaßten mir einen Fischschwanz. Auch meine Träume mußte ich den Experten erzählen, die sie sogleich klassifizierten und nach den Paragraphen des Strafgesetzbuches ordneten. Im Spätsommer beliefen sich die Beweise meiner Schuld bereits auf achtzig dicke Bände, und die Sachbeweise füllten drei Schränke in dem mit Schuppen ausgeschlagenen Raum. Zu guter Letzt gestand ich alles, was mir vorgeworfen wurde, insbesondere das Perforieren der Chondriten und die mehrfache umfangreiche Destillation zugunsten Pantas. Bis auf den heutigen Tag weiß ich nicht, was das bedeutete. Unter Berücksichtigung mildernder Umstände, vor allem meiner sturen Unkenntnis der Segnungen des Unterwasserlebens, sowie im Hinblick auf den bevorstehenden Namenstag des Großen Hechters wurde gegen mich das milde Urteil von zwei Jahren ungehinderter Steinmetzarbeit mit Bewährung im Wasser auf sechs Monate gefällt, woraufhin ich auf freien Fuß gesetzt wurde.
      Ich beschloß, mich für meinen halbjährigen Aufenthalt auf Pinta möglichst bequem einzurichten, da ich jedoch in keinem Hotel Unterschlupf fand, quartierte ich mich bei einer Greisin ein, die sich mit dem Tremolieren von Schnecken befaßte, das heißt, sie dressierte sie so, daß sie sich an Nationalfeiertagen in bestimmte Muster legten.
      Gleich am ersten Abend nach dem Verlassen der Trockenzelle hörte ich mir die Darbietungen des hauptstädtischen Chores an, der mich stark enttäuschte, denn er sang glucksend unter Wasser.
      Plötzlich konnte ich beobachten, wie ein diensttuender Fipo eine Person herausführte, die beim Verlöschen des Lichts durch ein Schilfrohr geatmet hatte. Die Würdenträger, die ihre Plätze in den wassergefüllten Logen einnahmen, wurden unaufhörlich von Duschen berieselt. Ich konnte mich des eigenartigen Eindrucks nicht erwehren, daß sich dabei alle ziemlich unbehaglich fühlten. Ich versuchte auch in dieser Hinsicht bei meiner Hauswirtin Informationen einzuholen, aber sie geruhte mir nicht zu antworten; sie fragte nur, bis zu welcher Höhe ich in meinem Zimmer Wasser eingelassen haben möchte. Als ich erwiderte, daß ich am liebsten überhaupt kein Wasser außerhalb der Badewanne sähe, preßte sie nur den Mund zusammen, zuckte mit den Schultern und ließ mich mitten im Satz stehen.
      Da ich die Pinter allseitig kennenlernen wollte, bemühte ich mich, an ihrem Kulturleben teilzunehmen. Bei meinem Eintreffen auf dem Planeten wurde gerade eine lebhafte Diskussion in der Presse über das Glucksen geführt. Die Spezialisten sprachen sich für leises Glucksen aus, da es die größte Zukunft

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